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Kultur: IFA 2001: Ran an die Inhalte!

Die Internationale Funkausstellung, die heute in Berlin zuende geht, wollte einen Impuls durch unseren Körper schicken. Wir sollen sehen, begreifen und kaufen.

Die Internationale Funkausstellung, die heute in Berlin zuende geht, wollte einen Impuls durch unseren Körper schicken. Wir sollen sehen, begreifen und kaufen. Wir haben gesehen, haben begriffen - aber werden wir uns auch neue Mediengeräte anschaffen? An der IFA 2001 liegt die zögerliche Bereitschaft zum Konsum nicht. Sie hat alles gegeben: Immer mehr Aussteller zeigen immer mehr Geräte. Nur die Besucher wollen einfach nicht mehr werden.

Zum Thema Online Spezial: IFA 2001 - Technik, Tipps und Trends IFA in Bildern Der virtuelle Messerundgang TED: Ist die IFA noch zeitgemäß? Ein Slogan der diesjährigen IFA heißt: "Zukunft@IFA". Zukunft ist das Zauber-Wort, unter das sich alle Aussteller und jedes ausgestellte Gerät fassen lassen. Neun Tage IFA unterm Berliner Funkturm müssen zwangsläufig in die Zukunft weisen. Selbstverständlich wollen wir auch dorthin, doch wie viel medientechnisches Gerät sollen wir auf unsere Reise mitnehmen? Die Beziehung zwischen Medienindustrie und Nutzer ist aktuell nicht auf Zuwachs angelegt, weil die Beziehung gestört ist. Wir nutzen elektronische Apparaturen zuerst für Inhalte; Geräte sind Werk-, nicht Spielzeuge. Wenn der kleinste Camcorder erneut kleiner geworden ist, könnten wir jubeln. Allerdings haben unsere unverändert klobigen Finger schon Probleme, bei den neusten Schrumpf-Handys die richtige Nummer einzugeben. Wir wollen Camcorder und Handys, die dem evolutionären Stand unserer Gliedmaßen folgen. Die Zukunft muss, zunächst, bedienerfreundlich sein.

Zudem hilft selbst der wunderbarste Camcorder nur beim Blick auf die Welt, wie wir sie kennen. Er schafft aber keinen neuen Blick, der uns andere Welten eröffnet. Wir sehen, was wir immer gesehen haben. Schlimmer noch: Manches von dem, was wir bisher sehen konnten und weiterhin sehen wollen, wird uns mittlerweile vorenthalten. Auch hinter den Kulissen der Funkausstellung tobte der Kampf um den Zugang zu den Bildern. Schön, dass das Fernsehbild noch schärfer, die Bildschirme immer flacher und demnächst den Siebdruck als Wandschmuck ablösen können. Nicht schön, dass der superflache Schirm superflache Fernsehprogramme zeigen wird. Ein Programm nach dem anderen verschwindet hinter dem Wandschirm des Pay-TV. Und der Decoder, der diesen Paravent wieder beiseite schieben soll, hält in Gestalt der technisch wackeligen d-box nur ein Viertel von dem, was er verspricht. Wir wollen sehen, nicht den Blick verstellt bekommen.

Marktschreierisch werden uns Medien-Abenteuer versprochen, während wir von den Hürden nur im Kleingedruckten erfahren. Nicht, dass wir die angekündigten 500 Programme auch einschalten wollten, aber die Qual der Auswahl, die würden wir uns schon gönnen. Statt dessen TV-Parzellen, Medien-Offerten im Schrebergarten-Format. Gegen unseren Willen werden wir von den so genannten Contents durch Mautgebühren ferngehalten - siehe das Bezahlfernsehen, siehe die kommerzialisierte Internet-Tauschbörse Napster. Da machen wir nicht mit. Wir sind keine abhängigen Technik-Junkies, wir sind die Majestät, das Publikum. Wer will denn Apparate, die einem den Zugang erschweren - da ist auf Inhalte gepfiffen! Pay-TV läuft nicht, "ran" wurde boykottiert. Eine Gesellschaft, die sich frei nennt, braucht den freien, weiten Blick - und wenn er sich auch nur auf das Fußballfeld verengt.

Die Zukunft ist digital, verkündet die IFA. Wohl wahr, doch wenn digital Zugangssperren bedeutet, dann starren wir weiterhin in die analogen Geräte. Zu ebener Erde wird am Europa ohne Grenzen gearbeitet und hoch oben, in der Atmosphäre der Satelliten, wird Schlagbaum auf Schlagbaum errichtet. Und für das Kabelnetz der Deutschen Telekom, nach dem Verkauf an ausländische Investoren, gilt die nämliche Prognose: Digitalisieren, codieren, separieren. Entsprechen werden technisch unterschiedliche Empfangs-Standards sorgsam gepflegt: Was einer sehen kann, soll der andere nicht mehr sehen können, es sei denn, er besorgt sich den entsprechenden Decoder-Schlüssel. Wenn die DDR noch existierte, wäre sie längst Weltspitzenreiter in der digitalen Wegschließ-Technik.

Die Gerätebauer und die Content-Leute bekommen es bei dieser IFA noch einmal vor Augen geführt: Wir wollen unsere Blicke nicht leiten lassen. Der Tunnelblick ist weg. Neueste Medien-Technik muss unsere Neugier befriedigen und unseren Horizont weiten helfen. Wenn uns das, was wir dann erblicken, nicht gefällt, können wir immer noch die Augen zu machen.

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