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Kultur: Im Dickicht der Farben

Das Märchen von der Malerei als Männerdomäne: Cecily Brown, Sophia Schama und Sarah Morris in Berliner Galerien

Männer, Mythen, Malerei könnte der Dreiklang zur Erfolgsgeschichte der Gegenwartskunst lauten. Insbesondere die zyklische Neuentdeckung von Öl auf Leinwand wird meist von männlichen Protagonisten beherrscht, die ihre emotionale Verausgabung mit Pinsel und Farbe zelebrieren. Mit der Malerei gerate das Starke und Heftige ins Visier, diagnostizierte ein bekannter Hamburger Kunstsammler anlässlich der momentanen Rückkehr zum gemalten Bild. Seine Schlussfolgerung: Wir brauchen kernige Männer. Die stürzen sich in die Kunst ohne Rücksicht auf Verluste, scheitern mit Bravour und halten das Prinzip Avantgarde im Sinne militärischen Vordringens in unbekanntes Terrain tapfer am Leben. Künstlerinnen sind diesem Modell zufolge einerseits zwar schlauer, weil sie um das vorprogrammierte Scheitern wissen, andererseits aber nie wirklich Teil jenes impulsiven Aufbruchs in die neuen Welten der Kunst. Auf großflächige Leinwandattacken antworten sie mit zartem Pinselgestus und entwerfen mythische Märchenwelten als Gegenpol zur maskulinen Triebstruktur. Das klingt als Erklärungsversuch zwar eher biologistisch schlicht, hat als Mentalitätsbeschreibung aber noch immer erstaunlich hohe Konjunktur.

Aktuell lässt sich die Frage nach dem Weiblichen in der Kunst anhand von drei Ausstellungen in Berliner Galerien stellen, die verschiedene Positionen von Malerinnen präsentieren. Dass sie gemäß Avantgarde-Theorie zu den systemimmanten Versagerinnen zählen, kann man Cecily Brown, Sophia Schama und Sarah Morris allerdings nicht vorwerfen. Sie loten die Grenzen zwischen Figuration und Abstraktion ohne Sturm und Drang-Attitüde aus und stellen die Malerei als solche in den Vordergrund. Das wirkt souverän und selbstbewusst und um die Geschichte der angeblich maskulin vorwärts preschenden Gattung wissend.

Die neuen Arbeiten von Cecily Brown bei Contemporary Fine Arts etwa verbinden Referenzen an alte Meister und Heroen der britischen Kunstgeschichte wie Francis Bacon mit einem kinematografisch geschulten Blick auf nackte Körper. Das Sehen und Gesehenwerden fängt sie in virtuosen, naturalistisch und abstrahiert zugleich wirkenden Kompositionen ein. Dass es sich bei Browns Bildern um erotische bis pornografische Szenen handelt, erkennt man oft erst auf den zweiten Blick, denn Sex in freier Natur wird hier zum Spiel fleischfarbener Pinselstriche im Dickicht opulenter Grünpflanzen. Die Körper lösen sich auf in einer Malerei, die bewusst auf Fragmentierung setzt. Gerade das Verschwimmen der Körper jedoch forciert den forschenden Blick, der Details der intimen Szenen zu fokussieren sucht. Titel wie „Teenage Wildlife“ (70000 Euro) versprechen ein Sich-gehen-Lassen in unberührter Natur, das sich als Peepshow mit Anklängen ans französische Rokoko letztlich allein im Auge des Betrachters konkretisiert. Dass Brown sich einen traditionell männlichen Blick auf weibliche Akte angeeignet hat, lässt den Voyeurismus, mit dem sie spielt, offensichtlich werden. Schlafzimmerszenen zeigen exponierte Nacktheit, verbergen jedoch explizite Details unter dicken Farbschichten. Die Posen sind den Gemälden alter Meister abgeschaut, die Malerei der Gegenwart verbunden. Am Ende ist das scheinbar Skandalöse doch vor allem Öl auf Leinwand.

Auch bei den neuen Arbeiten von Sophia Schama, die in der Spielhaus Morrison Galerie präsentiert werden, steht das Wechselspiel von Erscheinen und Verschwinden im Mittelpunkt. Wie ein Dikkicht legen sich breite Pinselstriche über das Bild, dessen eigentlich figurativer Gehalt in der Abstraktion entschwindet. Werke wie „Gras 36“ (1400 Euro) oder „Gras 31“ (3500 Euro) künden in dynamischen, düster gehaltenen Pinselstrichen von einer apokalyptischen Natur, die sich die Welt entschlossen zurückerobert. Urwaltartiges Gestrüpp zieht sich über die Leinwände auf einen geheimen Fluchtpunkt hin. In Schamas früheren Bildern dominierten kühle technische Konstrukte und mythisch überhöhte Tierdarstellungen. Jetzt sind es organische Strukturen, die sich über die Leinwand ausbreiten und die Wirklichkeit nur noch erahnen lassen. Moderne Ruinenlandschaften wie in „Das versprochene Land 1“ (4800 Euro) zeigen verlassene Häuser ohne Dach, die von surrealen Gräsern in Besitz genommen werden. Die Pflanzenwelt gleicht einer metallisch harten Materie, die sich entschlossen ihren Weg bahnt. So wird der opulente Wildwuchs auch zum Bekenntnis zu einer Malerei, die die Grenze zwischen Abstraktion und Figuration minimiert und den Wettstreit von Natur und Kultur souverän beherrscht. Das versprochene Land ist kein geografischer Ort, sondern ein medialer und liegt auf dem Terrain der Malerei.

Sarah Morris wiederum zeigt in der Galerie Max Hetzler neue Bilder, die Urbanität in Geometrie übersetzen. Ihre rasterförmigen, leuchtend farbigen Kompositionen erweisen sich als abstrakte Topographien von Los Angeles. Das soziale wie urbane Geflecht der Stadt überträgt sich in Linien und Richtungsvektoren, die in ihrer technoiden Struktur von der auf Effizienz und Profit ausgerichteten Westküsten-Metropole künden. Wie abstrakte Stadtporträts liefern die Bilder metaphorische Einblicke in die Psychologie und Ästhetik der Traumfabrik Hollywood.Vor allem über ihre Titel nehmen Morris’ mit Haushaltslack auf Leinwand gemalte Bilder Bezug zu konkreten Orten. „People’s Bank (Los Angeles)“ oder „Sony (Los Angeles)“ (jeweils 60000 Euro) markieren Orte, ohne deren Abbild zu liefern. Die Titel suggerieren vielmehr ein malerisches Äquivalent zu jener Stadt, die selbst von der Dynamik des Verkehrs, spiegelnden Hochhausfassaden und einer unaufhaltsamen Ausbreitung in die Fläche lebt. Morris Bilder setzen sich virtuell über die Grenzen der Leinwand fort und verwandeln visuelle Impulse in scheinbar autonome Systeme. Das ist kühl durchdacht und funktioniert. Abseits der „kernigen Männer“ scheint noch genügend Platz zu sein für innovative Positionen im Masterplan der Malerei.

Contemporary Fine Arts, Sophienstraße 21. bis 23. Oktober.

Spielhaus Morrison Galerie, Reinhardtstraße 10, bis zum 17. Oktober

Galerie Max Hetzler, Zimmerstraße 90/9, bis zum 16. Oktober.

Vanessa Müller

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