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Sein Cello singt und flüstert. Der Italiener Giovanni Solima, 54.

© Gian Maria Musarra

Giovanni Sollima spielt Haydn: Im Ernst ein Clown

Verträumte Virtuosität: Der Cellist Giovanni Sollima und der Dirigent Giovanni Antonini führen Haydn mit dem Konzerthausorchester auf.

„Sei auch mal verrückt!“. So lautete ein Rat seines Vaters und Lehrers. Und der Sohn Giovanni Sollima befolgt ihn, indem er als Komponist und Cellist mit zirzensischer, clownesker Spielfreude musiziert. Das heißt, dass er das Cello rasen lässt ohne Angst vor dem einen oder anderen verrutschten Ton.

Als Solist des Konzerthausorchesters spielt er nun Joseph Haydns Cellokonzert D-Dur. Seine Interpretation setzt nicht auf Klangfülle, denn er sieht die Wahrheit der Musik allein in der Artikulation. Kein Streben nach Tonschönheit im Sinn von instrumentalem Fetischismus. Es ist eine verträumte Virtuosität, Intonation in der Andeutung, die er dem Stück angedeihen lässt. Sein Cello singt und flüstert wie für sich in der hohen Lage seines Parts in dieser Partitur, um zu beleben, was eine strenge Wissenschaft als musikalisch etwas kraftlos einstuft.

Ausdrucksvoll wie eine heilige Melodie

Dass die Virtuosität des Solos für die Zeit der Komposition und wahrscheinlichen auch der Uraufführung 1783 auf Schloss Esterhazy spektakulär war, was Doppelgriffe, Oktavgänge und 32stel-Arbeit angeht, betont Giovanni Sollima im Umgang mit diesen technischen Schwierigkeiten. Hinreißend gelingt ihm das Adagio, allen Ausdrucks voll wie eine heilige Melodie. Er spielt ungleichartig und ungleichwertig, aber mit dem Ernst eines Clowns.

Am Dirigentenpult steht Giovanni Antonini. Das ist der Chef der Mailänder Truppe „Il Giardino Armonico“, von der er sich auch gern auf vielen Blockflöten begleiten lässt. Ohne Vergleich ist sein Unternehmen „Haydn 2032“, das bis zum 300. Geburtstag des Komponisten sämtliche 107 Haydn-Sinfonien auf historischen Instrumenten CD-verfügbar machen will. Es ist mit bisher vier Veröffentlichungen auf gutem Weg.

Das erste Projekt dieser Reihe galt der Sinfonie Nr. 49 „La Passione“ aus der Periode der Moll-Tonarten Haydns mit Antoninis „Garten“ des Originalklanges. Für dieses Werk, dessen Beiname nicht vom Komponisten stammt, steht ihm jetzt hier das Konzerthausorchester zur Verfügung, bei dem Synkopen und Intervallsprünge sich im Allegro eher verwischen, aber die Aura des klassischen Sinfonieorchesters wie gewohnt für sich einnimmt: im anführenden Adagio-Satz wie in dem klagend umflorten Menuett.

Überraschende Wirkungen

Eine weitere Sinfonie, die nicht zu den Favoriten des Musikbetriebs zählt, steht auf Antoninis Programm: die Vierte c-Moll von Franz Schubert, vom Komponisten selbst als „tragisch“ angesehen. Zum Gelingen hätte wohl eine zusätzliche Probe hilfreich sein können.

Aber Antonini versenkt sich auf seine überredende Art in die starke langsame Einleitung, die Regionen des Leisen in der Liedhaftigkeit des Andante wie die Aufhellung des Schlusssatzes. Mit überraschenden Wirkungen. Im Konzerthaus spendet das Publikum mit der zahlreichen Stammhörerschaft des Orchesters begeisterten Beifall.

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