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Kultur: Im Hypertext

über den schmalen Grat zwischen Slogans und Dekor Verbindet man das Kürzel der Freien Universität mit dem von Calvin Klein, kommt kein nettes Wortes heraus. Das ist dem Berliner Künstler Carsten Fock in der Galerie Jan Winkelmann (Brunnenstraße 185; bis 8.

über den schmalen Grat zwischen Slogans und Dekor Verbindet man das Kürzel der Freien Universität mit dem von Calvin Klein, kommt kein nettes Wortes heraus. Das ist dem Berliner Künstler Carsten Fock in der Galerie Jan Winkelmann (Brunnenstraße 185; bis 8. Januar) egal. Im Gegenteil: Er zitiert es so oft wie ein Rapper – womit der Radius des 1968 Geborenen bezeichnet wäre: Bildung, Mode und Pop überlagern sich zu einem risikofreien Hypertext aus Slogans. „Hört auf zu malen“ zitiert er Jörg Immendorff, „Idealisten sind immer“ Friedrich Schiller (Preise zwischen 1600 Euro bis 4800 Euro). Die Textfragmente werden direkt auf ungrundierte Bildträger übertragen. „Fuck Picasso“ steht über einem Porträt von Pollock. Fock, der Wortspieler, schreibt aber auch „Fock you“. Unklar bleibt, wer hier zwischen T-Shirt-Emblemen und Plakat-Design spricht. Aber es passt zur Jugendkultur. In Clubs tanzen jetzt manche mit T-Shirts, auf denen „Terrorist“ steht. Es gilt die alte Losung „Stop making sense“. Manche Künstler spielen mit Ambivalenzen und behaupten ein Sowohl-als-auch. Künstler wie Fock hantieren mit Signalwerten und arbeiten am Reiz des Gleichgültigen. Das ist keine leichte, aber eine kunstgemäße Aufgabe.

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Bei Müllerdechiara (Weydingerstraße 10; bis 8. Januar) zeigt der 1973 geborene David Hatcher das Dekor eines Nachtclubs der Achtzigerjahre. Zwischen Diagrammen des Philosophen Kant und Design von Ikea-Geschenkpapier könne er kaum Unterschiede ausmachen, meint Hatcher. Vor zwei Jahren hatte er das Gesicht eines Terroristen und eines Modells im Design von Börsennotierungen gezeichnet. Er versuche Lebensformen in Bilder umzusetzen, sagt er, ohne Position zu beziehen. Ihm schwebe so etwas wie die Kapellen von Matisse und Rothko vor. Die Bedeutungen sollen auf Null gestellt werden. Quellen dienen nurmehr als Inspiration, um scheinbar schnell Verständliches in Unverständliches zu verwandeln und entblößt von Bedeutungen als Bild erscheinen zu lassen. Hatcher ist ein Bedeutungskiller. Er nennt seinen schwarzen Raum, in dem Sterne und Ellipsen funkeln „Ödipales Manöver im Dunkeln“ (Preis auf Anfrage). Das „all over“ leerer Zeichen erinnert, so sagt es der Galerist, an metaphysischen Kitsch in Planetarien: reine Projektionen. Darin liegt der Kern der neuen Abstraktion. Man sieht zwar Figuren und Zeichen, aber sie wollen nichts sagen. Der Sinn ist zum Dekor stilisiert.

Peter Herbstreuth

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