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Kultur: Im Land der aufgehenden Ohren

Dank an Japan: eine Begegnung mit dem Praemium-Imperiale-Preisträger Dietrich Fischer-Dieskau

Höher hinauf geht’s nicht, selbst für einen, der Zeit seines Künstlerlebens ganz oben stand: Am Dienstagabend wurde Dietrich Fischer-Dieskau, der kultisch verehrte Lied-Interpret, der vielseitige Opernstar, der berühmteste Bariton des 20. Jahrhunderts, von Richard von Weizsäcker zum diesjährigen Preisträger des „Praemium Imperiale“ in der Sparte Musik ausgerufen. Jährlich fünf Mal 129 000 Euro für fünf Auserwählte hängen an der von der Japan Art Association gestifteten Prämie und machen ihn damit zur höchst dotierten Kultur-Auszeichnung weltweit, zum „Nobelpreis der Kunst“.

Das kann selbst einem Meistersinger die Sprache verschlagen: Nein, ein Freudenliedchen habe er nicht geträllert, als er von seiner Nominierung erfuhr, erzählt ein völlig gelöst wirkender, wie von innen heraus strahlender Fischer-Dieskau beim Gespräch im Wintergarten des Hotel „Adlon“ kurz vor der Feierstunde. Es sei ein Gefühl zwischen Beklommenheit und Glückseligkeit gewesen. Mehr noch als die anderen Preisträger des Jahres 2002 – Sigmar Polke im Bereich der Malerei, Giuliano Vangi (Skulptur), Norman Foster (Architektur) und Jean-Luc Godard (Theater/Film) und das European Union Youth Orchestra (Förderpreis) – verbindet Dietrich Fischer-Dieskau eine intensive Beziehung mit dem Land, aus dem der Preis kam: 1963 trat er zum ersten Mal in Japan auf, bei einem Gastspiel der Deutschen Oper Berlin. Wenn der Sänger davon spricht, er sei „eine Zeit lang“ sogar „fast so etwas wie eine Kultfigur“ auf der fernöstlichen Insel gewesen, untertreibt Dietrich Fischer-Dieskau in der ihm eigenen zurückhaltenden Art. Die Begeisterung, die er damals mit seinem Gesang auslöste, hält bis heute an.

Eine Zuneigung übrigens, die stets auf Gegenseitigkeit beruhte: „Die Japaner sind in der Lage, die momentane Situation der Musik besonders intensiv zu erfassen und mitzuerleben. Und wenn ein Künstler es vermag, dieses Miterleben hervorzurufen, verehren sie ihn ganz besonders. Das habe ich fast 40 Jahre lang genossen“, erklärt er und beginnt zu schwärmen vom Publikum zwischen Tokio und Fukuoka. „Jede kleinste Regung in der Musik wird dort wahrgenommen – und zwar im voraus. Man spürt als Vortragender ganz deutlich, wie die Leute auf diese und jene Wendung schon warten. So erlebt man das weder bei einem amerikanischen noch beim europäischen Publikum.“ Und auch das gefällt dem erfahrenen Bühnenkünstler in Japan: „Auf die Lautstärke des Applauses legen die Leute dort keinen so großen Wert. Auch fürs Bravorufen sind sie nicht zu haben. Sie hören lieber intensiv zu, klatschen kurz und entlassen den Künstler dann nach Hause. Ich finde das wunderbar.“

Bevor sich Dietrich Fischer-Dieskau zur offiziellen Bekanntgabe der Praemium-Imperiale-Gewinner in den Bankettsaal des Adlon begibt (die Medaillen verleiht dann am 23. Oktober der jüngere Kaiserbruder Hitachi in Tokio), verrät der umtriebige 77-Jährige noch ein paar Zukunftspläne: Neben seiner Tätigkeit als Gesangspädagoge und neben seinen Rezitationen tritt er auch wieder als Dirigent auf, beispielsweise Mitte Dezember mit dem Berliner Sinfonie-Orchester im Konzerthaus am Gendarmenmarkt.

Im November kommt sein neues Buch im Henschel-Verlag heraus, eine 600 Seiten starke Biografie über Hugo Wolf. Und dann ist da das Goethe-Projekt, für das Fischer-Dieskau noch einen mutigen Verleger sucht. Er, der so vielseitig begabte Sänger, möchte einem Seelenverwandten auf bekanntem Terrain begegnen und die Rolle des ebenfalls multitalentierten Dichterfürsten als Opernintendant und Theaterleiter untersuchen. Frederik Hanssen

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