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© ddp

Imre Kertész: Berlin liegt an der Donau

Im Berliner Wissenschaftskolleg hat ihn die Nachricht von der Verleihung des Nobelpreises erreicht. Nun ist die Villa in Dahlem der Ort für ehrende Reden, eine Lesung und eine kleine musikalische Soiree sowie ein festliches Essen.

Gibt Imre Kertész, der hier am 9. November seinen 80. Geburtstag feiert, der „Pflicht zum Glück“ nach, die er sich verordnet hat – der Auschwitz-Überlebende, der zur Erfolglosigkeit verdammte „verkannte osteuropäische Künstler mit einer nicht indogermanischen Muttersprache“ ohne Erfolgsaussichten, wie er sich einst apostrophierte, die große Gestalt der europäischen Literatur, die er ist?

Den Nobelpreis damals, vor sieben Jahren, empfand er folgerichtig als „Glückskatastrophe“. Der Zeuge der Tragödie Mitteleuropas ist nicht leicht zu feiern und ist es andererseits doch. Denn das Werk, dessen existentieller Ernst und dessen rebellischer Überlebenswille sein Verleger Alexander Fest und der Festredner Daniel Kehlmann feiern, hat einen Autor, in dessen leisem Charme die alte, urbane Kultur des Donauraums gegenwärtig ist. Braucht es da mehr, um ihm den Geburtstagskranz zu flechten, als kluge Worte, die sehnsüchtige Harmonie der Mahler-Lieder – vorzüglich gesungen von der Sopranistin Mojca Erdemann, begleitet von Manuel Lange – und eine kafkaesk angehauchte eigene Novelle, gelesen von Hermann Beil?

Am Anfang die einfühlsame Begrüßung durch den Hausherrn Luca Giuliani, beim Essen danach freundschaftliche Worte des Landsmanns Péter Esterházy und – das dann doch – drei Sätze in beider geheimnisvoller Muttersprache. Bundestagspräsident Norbert Lammert, der spät am Abend dazustößt, von den Mauerfallfeierlichkeiten in der Berliner Mitte kommend, zeigt immerhin, dass die Hauptstadt weiß, wer da in Berlin hängengeblieben ist, wie Kertész sagt. Aus ziemlich guten Gründen, wie eine heftige Attacke rechtsgerichteter Publizisten in Ungarn ausgerechnet zum Geburtstag verrät: Sie belegt den einzigen ungarischen Literatur-Nobelpreisträger aus Anlass eines Interviews unter anderem mit dem Reizwort „wurzellos“. Der hatte es seinerzeit, nach dem Nobelpreis, als seine Aufgabe bezeichnet, zwischen Liberalen und Nationalisten Frieden zu stiften. 

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