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Kultur: "In China essen sie Hunde": Sie können auch anders, die Dänen - Ein Film von Lasse Spang Olsen

Ist Harald (Kim Bodnia) ein Psychopath? Oder hat vielleicht Avid (Dejan Cukic) selbst nicht mehr alle Tassen im Schrank?

Von Susanna Nieder

Ist Harald (Kim Bodnia) ein Psychopath? Oder hat vielleicht Avid (Dejan Cukic) selbst nicht mehr alle Tassen im Schrank? Avid ist ein Bankangestellter, dessen Ex-Freundin findet, sogar der Pollenbericht im Radio sei spannender als er. Nachdem er seinen Bruder Harald seit Jahren nicht gesehen hat, taucht er plötzlich auf, schließt sein Fahrrad sorgfältig ab und schlägt vor, zusammen einen Geldtransport zu überfallen.

Avid will nicht etwa kriminell werden wie Harald, der eine Kantine betreibt und nebenher krumme Dinger dreht. Das Geld braucht er, weil er einen Banküberfall verhindert hat. Nachher kam die Frau des Bankräubers heulend zu ihm und sagte, mit der Beute hätten sie eine künstliche Befruchtung finanzieren wollen. Da hat er seinen Fehler eingesehen. Und den will er jetzt wieder gut machen.

"In China essen sie Hunde" von Lasse Spang Olsen (Regie) und Anders Thomas Jensen (Drehbuch) spielt in einer Welt, in der die Anarchie ungehindert ihren Lauf nehmen kann. Vor allem Harald schafft sich seine Tatsachen selbst. "In China kannst du einen ganzen Schäferhund essen, und niemand beklagt sich", sagt er. Soll heißen: Du machst deine eigenen Regeln. Wichtig ist nur, dass du dich auch daran hältst.

So werden mit der größtmöglichen Naivität die wildesten Pläne geschmiedet. Die munteren Kantinenköche Peter (Tomas Villum Jensen) und Martin (Nikolaj Lie Kaas) wundern sich zwar erst, dass sie jetzt Geldtransporter überfallen sollen, anstatt Gemüse zu schnippeln. Aber wenn Harald schnauzt, dann tut man, was er sagt. Und Vuk (wahnsinnig komisch: Brian Patterson), das jugoslawische Mädchen für alles, wird wie immer gar nicht erst gefragt.

Man ahnt, dass das alles nicht gut gehen kann. Ähnlich wie Kalle und Most in Detlev Bucks "Wir können auch anders" hinterlassen Harald und Avid eine Spur der Verwüstung. Dabei sieht der Überfall so einfach aus, wie Harald ihn mit Spielzeugautos und einer angematschten Birne demonstriert. Kinderspiel. Mit jeder neuen Kalamität bekommt die Komik einen stärkeren Drall ins Irrsinnige. Vuk als der fall guy, den es ständig auf die Schnauze legt, sieht wie eine Comicfigur immer ramponierter aus, und als die schweren Jungs vom jugoslawischen Syndikat zwecks Hilfe anrücken, verlieren die spillerigen Köche langsam die Lust am Verbrecherleben.

Für eine absurde Geschichte, in der Alltagssituationen in totalem Chaos enden, gibt es keine geeignetere Figur als einen Naiven. Hier gibt es gleich vier davon, lauter komische Gestalten, die sich mit Feuereifer an die unmöglichsten Dinger wagen. Die Darsteller des fünfköpfigen Himmelfahrtskommandos (mit Harald als Boss, der alles andere als naiv ist): Typen, die mit einem Blick, einer Geste drei Absätze Text überflüssig machen können. Der Humor, trocken, wortkarg, minimalistisch, ist eine Gratwanderung. Wie in Quentin Tarantinos "Pulp Fiction" weiß man oft nicht, ob man lachen oder kotzen soll und lacht dann doch, weil der Abgrund zwischen banaler Situationskomik und äußerster Gewalt zum Schreien ist.

Olsen und Jensen erzählen ihre Geschichte so einfach, dass sie schon lapidar wirkt. Der einzige Schnörkel ist eine Rahmenhandlung, in der ein Fremder einem Barmann eben die Geschichte erzählt, die wir gerade mitverfolgen. Anfangs bringt das den Fluss etwas ins Stocken, aber am Ende ergibt sich daraus eine Wendung, mit der garantiert keiner gerechnet hat. Ob die Tatsache, dass in China Hunde gegessen werden, auch bedeutet, dass er in Dänemark eine ganze Rockband über den Haufen schießen darf, wird sich Avid allerdings in alle Ewigkeit vergeblich fragen.

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