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Kultur: In der Matrix

freut sich an Punkt, Linie und Fläche in der Kunst Punkte erzeugen Linien, Linien erzeugen Flächen, und diese schlagen in den Bildraum um. Darin liegt das bare Geheimnis der Bilder, und es sind die Zeichner, die schnell ins Herz ihrer Bedingungen deuten.

freut sich an Punkt, Linie und Fläche in der Kunst Punkte erzeugen Linien, Linien erzeugen Flächen, und diese schlagen in den Bildraum um. Darin liegt das bare Geheimnis der Bilder, und es sind die Zeichner, die schnell ins Herz ihrer Bedingungen deuten. So der 1972 geborene Schweizer Stéphane Dafflon bei Jan Winkelmann (Brunnenstraße 185 HH; bis 3. September). Er kommt aus der alemannischen konkreten Kunst, hat sich bei Neo Geo, Minimal und Werbegraphik umgesehen und zeigt zwei Wandzeichnungen, die den Leerraum mit dezentem Schick in Schwingung bringen, während die Ping-Pong-Zeichnung selbst wie ein Ornament mit Tendenz zur Marke erscheint. Überlegter Einsatz, erstaunlicher Raumeffekt.

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Zum Genre Stadtansicht zeigt der 1951 geborene New Yorker Tony Conway eine Serie fotografiebasierter Straßenbilder in der Galerie Deschler (Auguststraße 61; bis 14. August). Die Fußgänger sind mit Graphitstift typisiert. Man weiß nicht, in welchem global village sich die Passanten bewegen (2200 Euro bis 9000 Euro). Conroy hat jeden Strich dem Konzept unterworfen, erlaubt sich keine Suchbewegungen mehr und lässt Kunst und Handwerk eine bruchlose Verbindung eingehen. Klare Sache: Er fand sein Bildprogramm im Ortlosen und lässt anonyme Städte als Transiträume in elegischem Armani-Grau erscheinen.

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Die Schaufenstergalerie Fleisch widmet sich der Linie als Raumkonzept (Karl-Marx-Allee 34; bis 8. September; rund um die Uhr). Christof Cargnelli und Nina Dick komponierten einen schwebenden Klangpfeil durch die imaginäre Topographie Wiens. Tobias Laukemper lässt eine Linie über zwei Torbögen durch den Realraum hüpfen. Und Manfred Pernice dokumentiert mit einer Schauwand subtile Bezüge zur U-Bahn-Linie 5 und lässt sie mit gefundenen Kacheln in der rohen Realität einrasten. Alle Punkte sind verortet, entfalten sich als Vektoren und zielen auf imaginäre Expansion: beim Sehen Klang.

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Für Spezialisten hat die Zwinger Galerie eine Entdeckung (Gipsstraße 3, bis 6. August). Wie zahlreiche Rasterkopisten nach Sigmar Polke öffnet die Berliner Künstlerin Theresa Lükenwerk das Bildmotiv den gängigen Analysen des Massenmedialen. Aber sie kopiert auch Muster traditioneller Druckverfahren und erkundet mit hohem Feinsinn die Wechselwirkung zwischen Bild, Raster und Träger. Darin liegt nichts Übliches, reproduziert sie doch die lupenreine Matrix des Scheins aus dem Geist des Ornaments. Und als Geschenk für ihre klösterliche Fleißarbeit zieht sich über Punkte und Linien hauchzarter Nebel hin – und pointiert die Behauptung der Schau: Das Phantasma des Hier und Jetzt ist eine geduldige Konstruktion und die Zeit ihr Autor. Gegenüber solchen Mikroanalysen bleibt die Fotografie blind. Im Zoom hätte sie ein dokumentarisches Flachbild erhalten. So aber ist Punkt für Punkt animiert und schlägt im Raum die Augen auf. Irgendwie außerhalb des Aktuellen (900 bis 7700 Euro).

Peter Herbstreuth

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