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Nana (Happy Salma, unten) und Ino (Laura Basuki) werden von Konkurrentinnen zu Freundinnen.

© Batara Goempar

Indonesisches Frauendrama auf der Berlinale: Schatten der Gewalt

Die indonesische Regisseurin Kamila Andini erzählt in „Nana“ von einer Frauenfreundschaft vor dem Hintergrund des Militärputsches in den 60ern.

Zwei Frauen sind mit einem Baby im indonesischen Dschungel auf der Flucht. Ihre Schritte sind vorsichtig, fast tastend, die Blicke ängstlich, sie flüstern, die Natur singt und zirpt. Im Hintergrund taucht schemenhaft ein Mann auf, doch bevor sich Nana ihm nähern kann, ist er auch schon wieder verschwunden. Die Figur ist eine Erscheinung, ein Nachbild ihres Mannes, der entführt und verschleppt wurde, sie selbst soll mit dem Anführer der Bande verheiratet werden. Die Frauen gehen weiter, als in der Ferne Nanas Vater des Weges kommt. Eine Gruppe von Männern hält ihn an, kurz darauf rollt sein Kopf.

Die sechziger Jahre sind in die indonesische Geschichte als ein extrem gewaltsames Kapitel eingegangen. 1965 kam es durch den rechtsgerichteten General Suharto zu einem Massaker an über einer Million tatsächlicher oder vermeintlicher Anhänger der kommunistischen Partei, Indonesier:innen chinesischer Herkunft und Intellektueller. Joshua Oppenheimer hat sich in „The Act of Killing“ in Form von Interviews und Re-Enactments mit den Gräueln beschäftigt. In „Nana“ sind sie der Hintergrund einer Geschichte, die ihren Schauplatz ganz in der häuslichen Sphäre findet.

Schon in der Eingangsszene setzt die indonesische Filmemacherin Kamila Andini den Ton: eine bei aller Beunruhigung behutsame, sanfte Stimmung, Figuren, die nie äußerlich in Aufregung geraten, das Einbrechen traumhafter Momente, kraftvolle Bilder und eine satte musikalische Untermalung, in die die emotionale Aufgewühltheit eingeht, die die Titelheldin so kontrolliert zurückhält. All das orchestriert Andini in ihrem inzwischen vierten Film (es ist erst der zweite in sundanesischer Sprache überhaupt) zu einer lyrischen Erzählung über eine Selbstbefreiung, die so still und undemonstrativ verläuft, dass die geläufigen Begriffe – Emanzipation, Ermächtigung – fast zu massiv wirken.

Der Tod verfolgt Nana bis in ihre Träume

Jahre nach den schrecklichen Ereignissen ist Nana (Happy Salma) in zweiter Ehe mit einem wohlhabenden Landbesitzer verheiratet und Mutter von vier Kindern. Ihr Alltag ist angenehm, sie hat ein Dienstmädchen an ihrer Seite und Leute, die vorbeikommen, um sie mit Musik zu unterhalten. Ein wirkliches Glück aber hat Nana in diesem privilegierten Leben nicht gefunden. Ihr Ehemann, ein gutmütiger Patriarch, hat ein Verhältnis mit Miss Ino, einer jungen Fleischerin. Und in den unruhigen Nächten treibt sie noch immer der mutmaßliche Tod ihrer eigentlichen Liebe um.

(14.2., 18.00 Uhr (Cubix 9), 15.2., 17.2., 18.00 (International), 21.00 Uhr (Neue Kammerspiele, Kleinmachnow), 18.2., 21.00 (Cubix 5), 18.2., 21.00 (Cubix 6))

Kamila Andini, die mit ihrem Film die Erfahrungen der Mutter Jais Dargas, ihrer ausführenden Produzentin verarbeitet, kleidet die Geschichte in elegante, opulente Bilder, die die zarten Figuren jedoch nie im historischen Dekor ersticken. Solidarisch mit der Perspektive ihrer Protagonistin scheut sie sich nicht vor Nostalgie und dem Schwelgen in schönen Dingen, Farben und Stoffen. Und sie lässt sich Zeit: für die Rituale des Alltags, das Haarefärben, das Arrangieren von Blumen, für Festlichkeiten, Tänze und immer wieder: Musik.

Wenn Nana jeden Morgen ihr langes Haar zusammensteckt verbirgt sich dahinter auch Symbolisches. Unter ihrem Knoten würden Frauen ihre Geheimnisse verstecken, verrät sie ihrer vorlauten Tochter Dais einmal. Dass sie ihr Haar irgendwann offen trägt, verdankt sie ausgerechnet der Geliebten ihres Mannes. Bei dem ersten Fleischstück, das Miss Ino ihr zum Geschenk macht, muss sie sich nach dem Essen noch übergeben. Doch was sich als dramatischer Konflikt ankündigt, führt bald zu einer solidarischen Frauenfreundschaft, die Nana bestärkt. Sie muss eine harte und folgenreiche Entscheidung treffen, aber „geschmeidig wie Wasser sein“, das muss sie nicht mehr.

Esther Buss

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