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Fragen an die Zukunft. Ein Theaterabend als angewandte Utopieforschung zu Gast am Max-Planck-Institut.

© theater-51grad.com/MEYER ORIGINALS

Interaktives Polittheater: Das Utopie-Angebot wird überprüft

Welche Gesellschaft hätten wie denn gerne? Das Theater 51 Grad zu Gast im Max-Planck-Institut.

Hand aufs Herz: Sind Sie nicht auch manchmal ein bisschen demokratiemüde? Ermattet von diesem Gefühl, dass sich am Ende ja doch wieder nur die Trottel durchsetzen? Dann fehlt es Ihnen womöglich an revitalisierenden Utopie-Angeboten. Ebensolche verspricht das Kölner Theater 51 Grad. Das Kollektiv hat eine Performance für Freigeister und Weiterdenker im Sinn, die sich „Erschöpfte Demokratie“ nennt und jetzt im Max-Planck-Institut für Bildungsforschung an der Lentzeallee zu sehen ist. Dem Thema gemäß gibt’s auch Beteiligungsmöglichkeiten.

Eingangs dürfen sich die Zuschauer drei verschiedenfarbige Lego-Duplo-Steine aussuchen, die jeweils einen Bereich der Gesellschaft symbolisieren, der ihnen besonders reformbedürftig erscheint. Zur Wahl stehen Arbeit, Soziales, Ernährung, Freizeit, Bildung und Kultur. Um das gleich zu verraten: Die grauen Kultur-Klötzchen nimmt kaum jemand, das rote Arbeits-Lego geht dagegen weg wie warme Semmeln.

Möglicherweise wünschen sich die Menschen bezüglich ihrer Werktätigkeit ja so was wie das Ameisen-Modell. Dem begegnet man in einem von drei Räumen, durch die der Visionen-Parcours im Max-Planck-Institut anschließend führt. Eine entrückt wirkende Performerin preist hier das Zusammenleben und das Co-Working von tausend wuselnden Individuen in verschiedenen, durch Röhren verbundenen Glasglocken. Schon toll, die Ameise. Sie ernährt sich von einem Pilz, den sie gleichzeitig füttert, schleppt tote Artgenossen auf den Kompost und hält sich nicht groß mit Geschlechterzugehörigkeiten auf. Und das alles unter den weisen Augen ihrer Königin.

„Der Staat“, lehrt diese Utopie-Lektion, „muss wie eine Königin die Bedürfnisse der Zivilisation erspüren und ihnen gerecht werden“. Allerdings erfahren wir auch, dass die Königin gern mal 300 Millionen Spermien in ihrer Samentasche von verschiedenen Spendern sammelt. Wie überträgt man das auf den Staat?

Visionen von Gesellschaft werden besichtigt, danach diskutiert

Aber gut, der ist eigentlich auch eine Idee von gestern. Stattdessen könnte man sich ja auch eine Welt vorstellen, in der die Nationen aufgelöst sind, der Typus des Berufspolitikers abgeschafft ist und alle Menschen gleichen Zugang zum Wissen besitzen, das im „Blue Tank“ gespeichert ist, einer virtuell wabernden Gedankenwolke. Bei der Kommunikation hilft ein Babelfisch, der alle Sprachen übersetzen kann (Douglas Adams lässt grüßen). Und die anfallende Arbeit wird von Robotern erledigt, was den Menschen viel Freizeit verschafft. Wem das zu sehr nach „Brave New World“ klingt, der würde vielleicht ein Leben in „Europien“ bevorzugen? Dort gibt’s ein Grundeinkommen für alle in einer Währung namens „Fließgeld“. Und die verfassungsmäßig verankerte Garantie, dass niemand zur Arbeit gezwungen werden kann. Auch schön.

So pflügt „Erschöpfte Demokratie“ durch die Felder Wirtschaft, Politik und Natur und entwirft Modelle, die man wahlweise inspirierend oder irritierend finden kann. Immerhin: die abschließende „Konferenz“ bringt die Menschen wirklich mal miteinander ins Gespräch über große Ideen, statt über den letzten „Tatort“. „Ich finde den Gedanken charmant“, lobt ein Zuschauer, „Politiker abzuschaffen“ (noch einmal an diesem Freitag, 20 Uhr).

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