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© Mike Wolff

Interview mit Vittorio Lampugnani: Stadtschloss: Chance für eine neue Debatte

Tagesspiegel sprach mit dem Jury-Chef des Wettbewerbs zum Berliner Stadtschloss, Vittorio Lampugnani, über den Schloss-Eklat. "Manchmal muss man den Mut haben, es mit der Architektur nicht allen recht machen zu wollen", meint er.

Herr Lampugnani, in der Schloss-Debatte kehrt keine Ruhe ein: Erst gab es Streit um die Rekonstruktionsvorgabe, dann wurde bezweifelt, ob der Wettbewerbssieger Franco Stella die Teilnahmebedingungen erfüllt, und nun hat das Kartellamt den Vertrag mit Stella gekippt. Raufen Sie sich nicht langsam die Haare?



Ich finde es sehr bedauerlich, dass juristische und eher kleinliche administrative Fragen ein so zentrales kulturelles Projekt wie das Berliner Schloss überschatten. Sollte es zu einem zeitlichen Aufschub kommen, wäre dies jedoch ein guter Anlass, das Thema Schloss und Rekonstruktion noch einmal gründlich zu reflektieren. So könnte man aus der unglücklichen Situation etwas Positives gewinnen, nämlich eine erneute kulturelle Auseinandersetzung. Ich habe als Juror die Aufgabenstellung immer respektiert, aber nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich nicht ganz glücklich mit ihr war.

Sie hoffen, dass erneut über die Frage barocke Fassaden oder zeitgenössische Architektur diskutiert wird?

Zumindest darüber, ob es trotz Parlamentsbeschluss nicht besser gewesen wäre, die Aufgabe denkmalpflegerisch und architektonisch nicht ganz so strikt auf die historische Kubatur und die drei barocken Fassaden einzuengen.

Ist der Wiederaufbau des Schlosses noch von der deutschen Öffentlichkeit getragen?


Das können Sie besser beurteilen als ich. Es ist für mich aber eine Schlüsselfrage. Die einzige Rechtfertigung für eine derartige Rekonstruktion ist der Wille der Bürger. Wenn der nicht deutlich vorhanden ist, sollte man das Projekt überdenken.

Es ist nicht der erste Fall, bei dem es mit dem zuständigen Bundesbauministerium Probleme gibt, auch beim Wettbewerb zum Einheitsdenkmal kam es zum Eklat. Taugt die Demokratie als Bauherr nicht?

Die Demokratie ist immer ein schwierigerer Bauherr als ein privater Träger. Manchmal muss man den Mut haben, es mit der Architektur nicht allen recht machen zu wollen. Mit der Demokratie ist das naturgemäß schwer zu vereinbaren.

Ein zentraler Kritikpunkt des Kartellamts ist die vom Bauministerium nicht erfolgte Überprüfung von Franco Stellas Angaben über die Größe seines Architekturbüros.


Ich weiß nicht, ob Franco Stella die Teilnahmebedingungen erfüllt, es war auch nicht unsere Aufgabe als Jury, das zu überprüfen. Wir durften davon ausgehen, dass es mit der Teilnahme seine Richtigkeit hat. Es ist leider generell so, dass Jurys von großen Wettbewerben zunehmend mit bürokratischen Problemen belastet werden. Ihre Souveränität wird immer stärker eingeschränkt, weil sie wegen Kleinigkeiten mit nachträglichen Beschwerden rechnen müssen. Das ist ein beträchtliches Handicap für das Wettbewerbswesen, und es schadet der Baukunst.

– Interview: Christiane Peitz

Vittorio Lampugnani, geb. 1951, arbeitet als Architekt in Mailand und lehrt Baugeschichte in Zürich. 2008 war er Jury-Vorsitzender beim Wettbewerb zum Berliner Stadtschloss.

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