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Rome Cinema Fest 2022. Rome Film Fest. Red carpet film The shadow of Caravaggio . Pictured: Isabelle Huppert PUBLICATIONxNOTxINxITA Copyright: xMarcoxProvvisionatox/xipa-agencyx/xDxAvanzo/Provvisionatox

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Isabelle Huppert zum 70.: Diese lauernde Intensität

Unergründlich, furchtlos, unwiderstehlich: dem französischen Weltstar Isabelle Huppert zum 70. Geburtstag.

Irgendwie ist sie immer da. Gefühlt kommt zwei Mal im Jahr ein Film mit ihr ins Kino, und dennoch entzieht sie sich immer wieder neu. Isabelle Huppert wird gerne eine Sphinx genannt, ihre Unergründlichkeit ist legendär, diese lauernde, provozierende Intensität. Von sich selbst sagt die Schauspielerin, ihr Gesicht sei nicht definiert. So wandlungsfähig ihre Persona auch sein mag, so unverwechselbar bleibt sie doch.

Deshalb übersieht man sie leicht - und vergisst sie dann nicht mehr. Letztes Jahr konnte man Huppert in der Berlinischen Galerie über den Weg laufen, Ulrike Ottinger führte sie durch die Tabea-Blumenschein-Ausstellung. In der Rückenansicht, vertieft in die Betrachtung der Bilder, mochte man in der kleinen, fragilen Gestalt nicht die große Huppert erkennen. Aber dann drehte sie sich um, und sofort war sie da, ihre leise erschreckende Aura. Unsereins fing gleich an zu stottern.

Die schmale Figur, das blasse Gesicht, der kühle, leicht mürrische Blick, die heruntergezogenen Mundwinkel, das Somnambule, das sich mit Strenge und Sinnlichkeit paart: „Spiel mir nichts vor“, sagte Jean-Luc Godard beim Dreh zu „Rette sich wer kann (das Leben)“ zu ihr, vor mehr als 50 Jahren. Nichts vorspielen im Bewusstsein, dass sie spielt, das ist ihr Credo.

Gegenwärtigkeit statt psychologische Durchdringung: „Sie war eine von denen, die sich nicht bemerkbar machen, die erforscht werden wollen, bei denen man genau hinschauen muss“, heißt es am Schluss von Claude Gorettas „Spitzenklöpplerin“ (1977) über die verschlossene 18-jährige Beatrice, der das Glück verwehrt bleibt. Seitdem ist Isabelle Huppert aus dem französischen Kino und dem europäischen Autorenfilm nicht mehr wegzudenken.

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Ihre berühmtesten Rollen: die sadistische Lehrerin in Michael Hanekes Adaption des Jelinek-Romans „Die Klavierspielerin“, Malina in Werner Schroeters Bachmann-Verfilmung, die Giftmörderin in „Violette Nozière“, die Engelmacherin in „Eine Frauensache“, die lustvoll mordende Postbotin in der bösen Bourgeoisie-Farce „Biester“ - Claude Chabrol war ihr Meister und sie seine Meisterin,. In Paul Verhoevens Erotikthriller „Elle“ (2016) tritt sie als Femme fatale auf: Unglaublich, wie sie den Freunden im Pariser Restaurant mitteilt, sie sei vergewaltigt worden, während der Champagner serviert wird. Auftakt zum Feldzug einer Rachegöttin.  

1953 in Paris geboren – wo sie bis heute mit dem Produzenten Ronald Chammah lebt, dem Vater ihrer drei Kinder  –, nahm Huppert schon mit 14 Schauspielunterricht und stand seitdem in rund 150 Filmen vor der Kamera. Spielen ist ihr Lebenselixier, ob sie als Unternehmerin oder Prostituierte auftritt, als Professorin, Psychopathin oder Madame Bovary. Sie drehte mit Bertrand Blier, Bertrand Tavernier, André Techiné, Patrice Chéreau, Claire Denis und vielen mehr, arbeitete am Theater mit Peter Zadek, Robert Wilson und Yasmina Reza, spielte mehrfach mit ihrer Tochter Lolita Chammah Mutter und Tochter, etwa in Laura Schroeders „Barrage“ (Berlinale 2017).

Zwei Césars und 16 Nominierungen, zwei Goldene Palmen, zwei Darstellerinnen-Preise in Venedig, der Goldene Ehrenbär der Berlinale, drei Europäische Filmpreise, ein Golden Globe, eine Oscar-Nominierung – die „New York Times“ nannte sie einmal die beste Schauspielerin des 21. Jahrhunderts.  

Gerne würde man sie öfter in Komödien sehen, schon wegen der anarchischen Seite ihrer Unergründlichkeit. Der kommt in François Ozons „Acht Frauen“ zum Tragen, wenn sie von der Brillenschlange in eine Chanson-Diva mutiert, auch in „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ (2020), wo sie als Drogen dealende  Dolmetscherin die Clan-Szene aufmischt.         

Eine Spionin hat sich einmal genannt. Schön, dass wir ihr weiter dabei zuschauen dürfen, wie sie in ihren Rollen dem Zusammenhang und den Perversionen von Sex und Macht, Körper und Geld, Politik und Machenschaften auf der Spur ist, als autonome, furchtlose Frau. Demnächst als „Die Gewerkschafterin“ in der Atomindustrie (im Kino ab 27. April).  Ob sie an diesem Donnerstag überhaupt Zeit hat, um sich feiern zu lassen? Félicitations zum 70. Geburtstag!

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