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James Carlos Blake

© Maura Anne Wahl

James Carlos Blakes Roman „Red Grass River“: Im Garten des Teufels

Florida in Zeiten der Prohibition: Südstaaten-Autor James Carlos Blake erzählt in „Red Grass River“ die Geschichte des Alkoholschmugglers John Ashley.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind die Everglades in Florida wortwörtlich ein Sumpf. Es gibt darin nicht nur Alligatoren, Schlangen, Mücken und Treibsand, sondern hier leben auch sonst nur die Verzweifelten und von Gott Verdammten. So wie John Ashley, die Hauptfigur von James Carlos Blakes neuem Roman „Red Grass River“. Ashley der irgendwann Ende der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts geboren wurde und 1924 bei einer Schießerei starb, stammte aus einer Familie von so genannten Crackern, von Menschen also, die im Sumpfland aufwuchsen und ihr Geld mit Fallenstellen und dem Verkauf von Tierhäuten verdienten, mit Schmuggel und Schnapsbrennen. Der narrative Rahmen von Blakes Roman bildet die Fehde, die die Ashleys mit den Bakers hatten, eine Familie, die auf der anderen Seite stand, der des Gesetzes. Ashley war in seiner Jugend mit Bobby Baker befreundet, zerstritt sich mit diesem aber wegen eines Mädchens. Als Bobby dann Sheriff wird, jagt er Ashley umso erbarmungsloser.

„Red Grass River“ nähert sich auf zwei Ebenen dem Duell von Baker und Ashley: Da ist der „Liars Club“, eine Gruppe alter Männer, die alle Geschichten über die verfeindeten Familien kennt und sie einander erzählt. Der „Liars Club“ fungiert als eine Art griechischer Chor, der Hintergründe, Gerüchte und Vermutungen bereitstellt. Dazu kommt ein allwissender Erzähler mit eigenen Versionen dieser Geschichten. Seine Sympathien gehören eindeutig Ashley, und so reichert er die gewalttätige Historie oft mit malerischen Momenten und amourösen Eskapaden an. Bobby Bakers Profil dagegen bleibt unscharf – und das Duell verliert an Spannung. „Red Grass River“, der dritte Roman des Südstaaten-Autors Blake, der jetzt auf Deutsch vorliegt, hat viel von einer folkloristischen Heldengeschichte. Ashley wird gewissermaßen zu Floridas Jesse James: ein legendärer Bandit, Bankräuber und Alkoholschmuggler – und eine Symbolfigur des Widerstands gegen Banker, Gesetzeshüter und wohlhabende Landbesitzer.

Allmählich trocknet die Sumpflandschaft aus

Die Tragik von Ashleys Leben zeigt sich in Blakes Roman erst im letzten Drittel. Während der Blüte des organisierten Verbrechens, des Schmuggels und Schnapsbrennens zu Zeiten der Prohibition floriert genauso der legale Handel. Der Fortschritt zieht ein – und legt den Sumpf allmählich trocken. „Manche sagten, aus dem Garten des Teufels wurde in absehbarer Zeit der Parkplatz des Teufels.“

Die Ashleys werden aus diesem Sumpf vertrieben. Sie repräsentieren das Alte, während sich die Menschen nach dem Neuem sehnen. In dieser Erzählung von der Zerstörung der Everglades, von der Verdrängung eines Menschenschlags, der fortan zu den Abgehängten zählt, könnte die Wucht dieses Romans liegen. Doch leider kommt dieser Aspekt durch die allzu lange Schilderung des vermeintlichen Heldentums eines Banditen zu kurz.

James Carlos Blake: Red Grass River. Roman. Aus dem amerikanischen Englisch von Stefan Lux. Liebeskind, München 2018. 528 Seiten, 24 €.

Sonja Hartl

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