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Auf der Suche nach der Wahrheit: Der frühere CIA-Agent Jason Bourne.

© dpa

Jason Bourne ist zurück: Er will die Welt nicht retten

Unschlagbar im Nahkampf, unfehlbar mit der Schusswaffe, scharfsinnig: Actionheld Jason Bourne ist zurück und sucht nach der Wahrheit über den Tod seines Vaters.

Was mag aus Jason Bourne geworden sein, seit er am Ende von „Das Bourne Ultimatum“ (2007) aus dem zehnten Stock in den East River sprang und seinen Verfolgern entkam? Unschlagbar im Nahkampf, unfehlbar mit der Schusswaffe, dazu hartnäckig, ausdauernd, scharfsinnig, raffiniert. Zugegeben, sein Gedächtnis hatte er nicht ganz wiedererlangt, aber die entscheidenden Teile seiner Vergangenheit rekonstruiert und so das Trauma seiner ungewissen Identität überwunden. Welche strahlende Zukunft stand ihm da wohl offen?

Nun, Jason Bourne mag vieles sein, ein pfiffiger Lebenskünstler ist er nicht. Nun zeigt sich: Mit seinen Top-Skills hatte er in der Freiheit nichts Besseres anzufangen gewusst, als sich an der griechisch-albanischen Grenze an brutalen Faustkämpfen zu beteiligen, zur Unterhaltung der dort aufgehaltenen Flüchtlinge. Was treibt so einen in solch eine freudlose Existenz?

Die Macher von „Jason Bourne“ müssen triftige Gründe haben, den untergetauchten Ex-CIA-Agenten wieder ans Tageslicht zu holen. Weil der Schritt, eine stimmige Trilogie zu verlängern, gut überlegt sein will „Indiana Jones“ lässt grüßen. Weil der in sich abgeschlossene „Bourne"-Dreiteiler mit seinen Rückblenden und Verschachtelungen eine besonders kompakte Einheit bildet. Vor allem aber, weil der traumatisierte, desorientierte Jason Bourne den perfekten Protagonisten für das von 9/11 erschütterte Amerika der Bush-Ära darstellte.

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Als Matt Damon 2002 in Doug Limans Thriller „Die Bourne Identität“ erstmals dieser Bourne war, spielte er einen Actionhelden, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hatte: frei von Coolness und Glamour, gepeinigt von seinen Taten und getrieben von der Sehnsucht nach Normalität. Denn darin liegt sein Dilemma: Er ist kein eiskalter Killer, sondern wurde von seinen Ausbildern erst zu einem solchen gemacht. Indem er nun wiederum sie zur Strecke bringt, hofft er, wieder ein normaler Mensch zu werden.

Seit Bourne zuletzt seine Widersacher und Erinnerungen jagte – zwischen „Identität“ und „Ultimatum“ gab es 2004 die „Verschwörung“ ist die Welt eine andere geworden. Der war on terror findet mittels Drohnen in der Ferne statt, und in der späten Obama-Ära wird nicht mehr über Waterboarding, sondern über ungezügelte Geheimdienste und Überwachung diskutiert. Angesichts der von Film zu Film gestiegenen Einspielergebnisse war es für die Produzenten da nur logisch, Bournes Eignung nun auch im neuen Kontext zu prüfen.

Mit der entsprechenden Beweisführung hält der Film sich nicht lange auf: Binnen zehn Minuten springt die Handlung vom Flüchtlingscamp zu Hackern nach Island und von dort nach Athen, wo eine Demonstration gegen die Sparpolitik der EU in eine heftige Straßenschlacht eskaliert. Vor dieser unübersichtlichen Kulisse trifft sich die Agentin Nicky (Julia Stiles) mit Bourne zur Übergabe streng geheimer CIA-Daten, die sie an sich bringen konnte. „Das könnte schlimmer werden als bei Snowden“, ahnen die Anzugträger im Hauptquartier in Langley.

Heute wirkt das Bourne-Rezept etwas altbacken

Aus den Dokumenten erfährt Bourne, dass sein Vater mit einem geheimen CIA-Programm zu tun hatte, in dem er selbst zum Spezialagenten ausgebildet wurde, nachdem sein Vater durch einen Autobombenanschlag in Beirut ums Leben gekommen war. Dass er nun die Wahrheit über die Rolle und den Tod des Vaters herausfinden will, macht CIA-Chef Dewey (Tommy Lee Jones) nervös. Bald hetzt er dem abtrünnigen Schützling einen Killer nach dem anderen auf den Hals. Die ehrgeizige Ermittlerin Heather Lee (Alicia Vikander) versucht derweil, ein Vertrauensverhältnis zu Bourne aufzubauen auf der Spur von Berlin über London schließlich nach Las Vegas.

Dass sich das alles vertrauter anfühlt, als es einem Action-Thriller guttun kann, ist vor allem der enormen Wirkung der ersten drei „Bourne“-Filme geschuldet. Helden ohne Knacks erscheinen heute kaum noch denkbar. Selbst James Bond, der jahrzehntelang selbstzweifelsfreie Inbegriff der Souveränität, ist seit „Casino Royale“ (2006) überwiegend mit der Aufarbeitung seiner Kindheit beschäftigt. Auch formal hat die Trilogie Maßstäbe gesetzt. Wenn Regisseur Liman und Drehbuchautor Tony Gilroy mit Jason Bourne den Actionhelden fürs 21. Jahrhundert neu erfunden haben, dann ist dies Regisseur Paul Greengrass, Kameramann Oliver Wood und Cutter Christopher Rouse in den beiden folgenden Teilen für den Actionfilm als Ganzes gelungen. Wie hier Bild, Ton und Schnitt zu einem geradezu impressionistischen Mosaik verschmelzen, ist seitdem auf bislang unerreichte Weise stilbildend.

Allein, der Effekt nutzt sich ab. Hatte diese Form der hyperkinetischen Reizüberflutung vor zehn Jahren eine unwiderstehliche Frische und Wucht, erscheint sie heute zwar nicht altmodisch, aber allzu bekannt. Daran ändern auch die aktualisierenden Bezüge nichts, die – wie die Flüchtlinge und Demonstranten – bloß schmückende Kulisse bleiben. Der Film wird so zwar klar in der Gegenwart situiert, doch relevant ist er damit noch lange nicht. Dafür müsste er schon mal Farbe bekennen bei den durchaus brennenden Themen, die er anschneidet: Wie steht es etwa um den Schutz der Privatsphäre gegenüber dem wachsenden Sicherheitsbedürfnis? Wer setzt den Geheimdiensten Grenzen, und wo sind sie zu ziehen? „Jason Bourne“ streift diese Fragen zwar, aber letztlich verfolgt der Held bloß strikt seine persönliche Agenda. „Ich bin nicht auf deiner Seite“, raunzt er einen Berliner Hacker an, als der meint, sie kämpften doch beide gegen die korrupten Institutionen, die die Gesellschaft kontrollieren. Bourne dagegen will die Welt nicht verbessern. Er will bloß seine private Wahrheit herausfinden – da mag sie noch so sehr in größerem politischen Zusammenhang stehen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.

Kaum mehr als solide Anknüpfungsarbeit

Für „Jason Bourne“ haben Paul Greengrass und sein Stamm-Cutter Rouse erstmals selbst das Drehbuch verfasst; das Zerwürfnis mit Drehbuchautor Gilroy führte 2012 zu dessen mäßig erfolgreichem Spin-Off „Das Bourne Vermächtnis“ (mit Jeremy Renner in der Hauptrolle), das für die aktuelle Fortsetzung keine Rolle spielt. „Jason Bourne“ allerdings leistet kaum mehr als solide Anknüpfungsarbeit an die Trilogie; immerhin ist mit der undurchsichtigen Cyber-Expertin Heather Lee eine neue und vielversprechende Figur dabei, die in weiteren „Bournes“ weiterentwickelt werden kann. Und Bourne selber? Seinen Frieden finden muss er ja nicht unbedingt Hauptsache, er bringt weiter klassische Schurken zur Strecke.

„Jason Bourne“ läuft ab heute in Berlin in 20 Kinos

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