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Und wo ist hier der Stromanschluss? Die Electric Band OFUS.

© JazzKorea promo

JazzKorea 2016: "Wir wollen die Tradition entfesseln!"

Jazz aus Seoul? Alles andere als exotisch. Beim Festival JazzKorea 2016 kann man sich davon überzeugen - in Berlin und anderen deutschen Städten,

Einsam klagt die Bambus-Piri von Yechan Kim. Die lang gezogenen Töne vibrieren, biegen sich wie Schilfrohr im Wind – bis endlich Gitarre, Kontrabass und ein Schlagzeug einsetzen und eine Art Weltmusik-Folk anstimmen. Immerhin ist die Piri eine weitläufige Cousine der armenischen Duduk, doch ihre Heimat liegt im fernen Osten: in Korea. Und dort ist sie tief in Konfuzianismus und Buddhismus verwurzelt. Aus Süd-Korea kommen auch die »Asian Scholars«, das Quartett um Yechan Kim, und als Wissenschaftler wollen sie die faszinierende und bisweilen fremdartige Klangwelt ihrer Heimat (inklusive der Handtrommeln und Gongs der Samul-Perkussion) auch der nicht eingeweihten Welt näher bringen. „Gleichzeitig wollen wir auch die traditionelle koreanische Musik entfesseln“, sagt Kim, der neben der Piri auch Saxofon spielt.

Ein mutiges Statement. Zwar wächst die Jazzszene in Südkorea seit der Jahrtausendwende in international unbekannter Dimension. Allein 12 Konservatorien bieten in Seoul Jazzausbildungen für Tausende von Studenten an, und jedes Jahr besuchen 100 000 Zuhörer das erst 2004 gegründete Jarasum-Festival, das nur ein Wochenende dauert. Doch von der Fesseln sprengenden Kraft, die man dem Jazz zuspricht, ist dort bislang nicht viel zu hören gewesen.   

 Lyrisch durchlüftete Atmosphäre

Umso bemerkenswerter wirkt da das JazzKorea Festival 2016, das am Donnerstag in Berlin beginnt. Schon zum vierten Mal touren dann Bands wie die Asian Scholars durch Deutschland; mit Abstechern nach Budapest, Stockholm, Rom, Brüssel, Madrid und sogar bis nach Astana, die Hauptstadt Kasachstans. Auf den Weg gebracht hat dieses Festival auf Reisen die Kulturabteilung der Berliner Botschaft der Republik Korea. Die möchte gern den „Jazz made in Korea“ auch international bekannt machen. Und die vergangenen Jahrgänge zeigten durchaus das hohe Niveau der koreanischen Jazzmusiker. Einige, wie die Saxofonistin Jin Pureum, konnten ihre Musik schon 2014 bei deutschen Labels veröffentlichen. Und das Quartett des Gitarristen Eung Min Cho kann mit seiner lyrische durchlüfteten Atmosphäre durchaus neben den frühen Pat Metheny-Bands bestehen. Zu Recht wurden sie im vergangenen Jahr mit dem Korean Music Award ausgezeichnet.

Doch schon Miles Davis sagte: „Jazz ist nicht, was Du spielst – sondern: wie Du es spielst!“ Und gerade eine charakteristisch koreanische Spielweise war bislang nur selten zu hören. Da verspricht das JazzKorea-Programm 2016 einiges. Etwas subtiler als die Asian Scholars setzt sich etwa die Electric Band OFUS mit den Traditionen ihrer Heimat auseinander. Ihr Sound ist Jazzrock: eine Gitarre im Gespräch mit ausdrucksstarkem Saxofon und einem fröhlich übersteuerten E-Piano. Und schon damit entfernt sich das Quintett um den Bassgitarristen Hong Kyungsup mutig vom Ideal des Wohlklangs.

Während die deutschen Jazzfreunde bei den Berliner Jazztagen gerade eine ungewöhnlich starke weibliche Präsenz (von 20 Prozent) auf der Bühne beklatschten, gehören Musikerinnen in koreanischen Jazzbands längst zu den Selbstverständlichkeiten: bei OFUS mit der Keyboarderin Yoon Wonkyung und im Piano-Trio von Lee Han-Earl sitzt Jin Suh Soo am Schlagzeug.

 Auseinandersetzung mit der europäischen Tradition

Lee, dessen Vorname an Bud „Earl“ Powell erinnert, besucht Deutschland nicht zum ersten Mal. Ursprünglich war er nach Weimar gekommen, um sich an der Musikhochschule Franz Liszt zum Konzertpianisten ausbilden zu lassen. „Doch im Studium hörte ich dann von Bill Evans, und seine Musik war für mich frei, freier als Klassik. Und auch etwas melancholisch, was mich damals sehr tröstete. Da fing ich an, mich für Jazz zu interessieren“. Inzwischen lehrt er selbst am Seoul Institute of the Arts und hat sein Debüt-Album vorgelegt. Der  international kompatible Piano-Trio-Sound ist geprägt von seiner Auseinandersetzung mit der europäischen Tradition, bis hin zum Titel: »Unwissend«. Dass er jetzt mit seinem Seouler Trio auf Tournee nach Deutschland kommt, freut Lee Han-Earl besonders: „in Korea spielt alles auf der Jazzszene in Seoul. Es gibt seit Kurzem auch ein oder zwei Clubs in den Provinzen, aber fast alle Musiker und Jazzclubs sind in Seoul. Das hat Vorteile: Man lernt schnell viele andere Musiker kennen und kann auch gute Gelegenheiten zum Spielen finden, wenn man aktiv ist. Es hat aber auch Nachteile. Wenn man in zu viel verschiedenen Bands spielt, um bekanntzuwerden, kann man nicht kontinuierlich zusammen spielen und ein Album herausgeben oder gemeinsam Musik komponieren. Ich finde, dass die Jazzszene in Korea noch zu beschäftigt ist, um etwas Kreatives zu erzeugen. In Deutschland ist es genau anders herum. Die Jazzszene ist weit verbreitet und es gibt sehr viele Jazzmusiker. So ist es nicht einfach, sie alle kennen zu lernen. Aber in jeder Kleinstadt gibt es Orte, wo man spielen kann, auch abgesehen von den Clubs. So konnte ich mit einer eigenen Band ununterbrochen meine eigene Musik machen. Persönlich beneide ich die deutsche Jazzszene“.

Auftaktkonzert: 17.11. Kesselhaus, Berlin, 19 Uhr, mit allen erwähnten Bands.

Fr. 18.11. Koreanisches Kulturzentrum, Leipziger Platz  - Asian Scholars  Eintritt frei
Sa. 19.11. Koreanisches Kulturzentrum, Leipziger Platz - Lee Han-Earl Trio und Electric Band OFUS Eintritt frei
So. 20.11. Koreanisches Kulturzentrum, Leipziger Platz Berlin EungMin Cho Quartet Eintritt frei

Vollständige Termine unter jazzkorea.kulturkorea.org/

Tobias Richtsteig

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