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Kultur: Jenseits von Politik

DAS MOMA IN BERLIN

Von Bernhard Schulz

Endlich öffnen sich die Türen der Neuen Nationalgalerie. Vom heutigen Freitag an gastiert das New Yorker Museum of Modern Art mit seiner erlesenen Auswahl von Meisterwerken in Berlin. Die Erwartung des Publikums ist hoch – es erwartet, das Schönste und Bedeutendste zu sehen, das die Kunst der Moderne hervorgebracht hat.

Keine Frage: „MoMA in Berlin“ ist das Kulturereignis des Jahres 2004. Es ist vielleicht sogar das Kulturereignis des Jahrzehnts. Denn beim Gastspiel des international bekanntesten amerikanischen Museums in der deutschen Hauptstadt geht es um mehr als um den Besuch von 200 Meisterwerken.

Im Laufe der Zeit immer stärker und zuletzt durch die Schirmherrschaft der Außenminister Powell und Fischer unterstrichen, geht es auch um eine politische Geste. Der Gedanke dieser Ausstellung, betonen die Veranstalter, sei entstanden mitten im tiefen Tal der deutsch-amerikanischen Beziehungen in Sachen Irakkrieg. Es solle ein Zeichen gesetzt werden für die Intensität und Dauerhaftigkeit der Beziehungen.

Damit wird die Ausstellung in einer Weise belastet, die der Sache selbst zuwiderläuft. Denn das Museum of Modern Art lässt sich nicht als Kulturbotschafter der Vereinigten Staaten vereinnahmen. Dem Geist seiner wagemutigen Gründer nach darf es eine solche Rolle gar nicht spielen. Das MoMA war stets der Inbegriff der Weltoffenheit und Internationalität der Moderne, und das von seiner Eröffnung 1929 an, als man in Europa noch in „nationalen Schulen“ der Kunst dachte. Deshalb kehren jetzt Picasso, Matisse und Modigliani in die Nationalgalerie ein, dazu Vertreter der Pariser Avantgarde, die sich nie um nationale Herkunft kümmerte, oder Max Beckmann, der als deutscher Exilant erst in den Niederlanden und dann in den USA Aufnahme fand.

Natürlich weckt der Besuch des New Yorker Museums in Berlin tiefere Empfindungen, als das anderenorts der Fall wäre. Das Wort von den „Rosinenbombern der Kunst“ geht am Ereignis vorbei, weist aber auf einen wichtigen Umstand. Ja, die Vereinigten Staaten haben den Deutschen nach Hitlerreich und Weltkrieg Kultur nahe gebracht – die Kultur der Demokratie, genauer die der modernen Massendemokratie einer Wohlstandsgesellschaft. Gemälde des amerikanischen Nachkriegs-Künstlerstars Jackson Pollock, die jetzt zu den Höhepunkten der MoMA-Show zählen, waren vor bald fünzig Jahren im ausgepowerten West-Berlin zu sehen, als Signale einer fernen, gerade erst selbst mühsam zurückgewonnenen Freiheit.

Moderne Kunst gleich Demokratie gleich Atlantische Allianz: Derlei simple Gleichungen müssen wir Heutigen nicht mehr aufmachen. Das Fundament der deutsch-amerikanischen Beziehungen ist über die Jahrzehnte hinweg stabil genug angewachsen, um Verwerfungen der Tagespolitik zu ertragen und auszugleichen.

So lenkt das MoMA-Gastspiel den Blick zurück auf die Berliner Verhältnisse. Der New Yorker Gründungsdirektor Alfred Barr hat die Anregung zu einem Museum der modernen Kunst nicht zuletzt in Berlin gewonnen. Wo steht die Nationalgalerie heute? Kann sie sich mit dem New Yorker Haus messen?

Soll das New Yorker Gastspiel eine bleibende Wirkung haben, dann die der Ermutigung: zum selbstbewussten Auftritt der Berliner Museen. Und zwar in jenem Geiste der Internationalität, der die Gründer des Museum of Modern Art vor 75 Jahren beseelte. In diesem Sinne ist das New Yorker Gastspiel ein wunderbares Zeugnis der deutsch-amerikanischen Freundschaft – fernab, zum Glück, aller tagespolitischen Indienstnahme.

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