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Joachim Tomaschewsky: Herr der Bühne

Ihm liegen die sich bedeutsam gebenden Charaktere zwischen Gentleman, Hochstapler und Bösewicht. Zum 90. Geburtstag des Schauspielers Joachim Tomaschewsky.

Oft hat Joachim Tomaschewsky sein Leben lassen müssen. Zumindest auf der Leinwand. Den von ihm verkörperten Herren mit dem strengen Blick, eitel, rechthaberisch und verschlagen, ging es in vielen Drehbüchern kaum einmal gut. Das oft untadelige Äußere der Zwielichtigen reichert er mit Hochmut und Charme an, macht sie gefährlich und faszinierend zugleich. In über 120 Film- und Fernsehproduktionen hat der Schauspieler mitgewirkt, zuletzt im „Vorleser“ nach dem Roman von Bernhard Schlink. Wenn Leute gebraucht werden, die gut aussehen, auch im höheren Alter, an deren Gesicht man sich festsieht, kommt man oft an ihm nicht vorbei. Und doch: Zu Hause ist Tomaschewsky im Theater. Heute wird er 90 Jahre alt, und sein Haus, die Volksbühne, gibt ihm ein Fest in der Akademie der Künste.

Als Schauspieler alter Schule, sprachlich und gestisch hoch diszipliniert, hat Tomaschewsky einen um Jahrzehnte jüngeren Kollegen fasziniert: den Regisseur Frank Castorf. Das zeugt von der Neugierde, der Entdeckungslust des Erfahrenen, und von einer sich selbst gegenüber schonungslosen Einsatzbereitschaft – in Rollen wie dem Grafen von Gloster („König Lear“, 1992), als Friedrich Eilers („Des Teufels General“,1996), Puschkin („Die toten Seelen“, 1998), Herr Herfurth („Der geteilte Himmel, 2001) oder als Kaiphas („Der Meister und Margarita“, 2002). Vor allem auch in den großen Dostojewski-Deutungen Frank Castorfs war Tomaschewsky stets begierig auf das Neue.

1919 in Chemnitz geboren, erwarb er sich das Rüstzeug für den Beruf an der Schauspielschule Reimann in Berlin und durch Privatunterricht. Ersten Engagements in Chemnitz und Halle folgte von 1950 bis 1962 die Leipziger Zeit in einem mit begabten Komödianten besetzten Ensemble – und dann die Berliner Volksbühne. Am 1. August 1962 trat Tomaschewsky hier sein Engagement an und ist nun ohne Wenn und Aber Repräsentant der Geschichte dieser in den Stürmen der Zeit oft arg gezausten Berliner Institution. Seiner Frau Gisela Morgen, die den 90. Geburtstag nicht mehr miterleben kann, blieb er über Jahrzehnte verbunden, in einer beflügelnden Gemeinschaft gegenseitiger Anregung und Hochachtung. Dass auch die Tochter den schauspielerischen Beruf wählte, verwundert da nicht. Der große Geburtstag, das ist Hoffnung und Gewissheit zugleich, wird für Tomaschewsky keinen Abschied von der Bühne bedeuten. Christoph Funke

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