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Carolina Amaral und Leonor Vasconcelos in „Vivir mal“.

© Midas Filmes

Joao Canijo bei der Berlinale : Frauen im Hotel

Bei der Berlinale zeigt der portugiesische Regisseur João Canijo im Wettbewerb und bei Encounters mit „Mal Viver“ und „Viver Mal“ zwei Komplementärfilme.

Von Kerstin Decker

Fünf Frauen führen ein Hotel. Die erste Reaktion: Was für ein wunderbares Arrangement! Aber schon der nicht allzu einladende Titel "Mal Viver", "Schlechtes Leben" gibt zu denken. Es ist nicht zu vermuten, dass João Canijo, der auch das Drehbuch schrieb, lediglich den Nachweis erbringen wollte, dass Frauen - sich selbst überlassen - sich notwendigerweise zerfleischen. Was er zeigt, ist allerdings, wie Frauen, sich selbst überlassen, sich notwendigerweise zerfleischen.

Es sind gleich zwei Filme, sie funktionieren gewissermaßen spiegelbildlich: "Mal Viver" läuft im Wettbewerb und handelt von den Hotelfrauen, "Viver Mal" läuft in den Encounters und schaut genauer auf die Hotelgäste. Denen geht es auch nicht viel besser.

Negative Energien am Pool

"Mal Viver": Ein verlassener Pool, früh am Morgen oder spät am Abend, eine Frau wischt den Rand, allmählich kommt eine einsame Sonnenliege in den Blick, darauf liegt eine andere Frau mit Hund. Zwischen dem Beckenrand und der Sonnenliege entstehen akut negative Energien. Dann läuft die Frau von der Sonnenliege einer wesentlich jüngeren in die Arme. Überraschung, noch mehr negative Energien. Obwohl beide sich, wie im Bann einer fernen Erinnerung, in die Arme nehmen. Es sind Mutter und Tochter.

Es ist vollkommen in Ordnung, das so statisch zu erzählen, denn "Mal Viver" ist ein sehr statischer Film. Totale aufs Hotel oder den Pool, und wenn wir Glück haben, läuft jemand durchs Bild. "Mal Viver" – und "Viver Mal" folgt ihm darin – haben das Temperament eines schwer depressiven Menschen, und so sprechen auch fast alle Beteiligten. Unendlich ... langsam ... und ... mit großen ... Pausen. Die Rettung kann also nur in der inneren Dynamik des Konflikts liegen.

Die Verlassene ist schuld

Die junge Frau ist bis zum Schluss bei ihrem todkranken Vater geblieben, der sie und ihre Mutter - die Frau von der Sonnenliege - früh verlassen hat. Seltsamerweise scheinen auch alle anderen seinen Weggang nie überwunden zu haben. Für die Großmutter und Hoteldirektorin war er der einzige Mensch, mit dem man hier vernünftig reden konnte, und die Schwester der Verlassenen hat ihn auch geliebt. Fazit von drei Frauen-Generationen: Die Verlassene ist schuld, Piedade. Kommentar der eigenen Mutter: "Alles, was du berührst, stirbt."

Über zwei Stunden lang werden wir Zeuge, was Menschen einander antun können, rein verbal. Zwei Stunden Psychoterror. Anabela Moreira als Piedade ist anzusehen wie viel Kraft sie der jeweils nächste Satz, die nächste Bewegung kostet.

Das ist das Gefängnis der Depressiven: Sie verbrauchen ihre ganze Kraft darin, wollen zu wollen. Und immer die Vorwürfe, von ihrer Tochter und allen anderen auch, dass sie nicht lieben könne, immer nur an sich denke. Aber das ist vollkommen klar: Der Depressive sitzt im eigenen Ich wie im Ein-Mann-eine-Frau-Gefängnis. Frauen sind besonders empathiefähig? Im Gegenteil, alle Beteiligten hier scheinen seelische Analphabeten zu sein.

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