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Power-Prinzessin. Als ihr Debütalbum fertig war, packte Joyce Muniz ihre Sachen und zog von Wien nach Berlin.

© Exploited

Joyce Muniz im Porträt: „Berlin ist mehr als eine Clubstadt“

Berlin kann mehr als Party. Genau wie die Neu-Neuköllnerin Joyce Muniz: Mit ihrem House-Album „Made in Vienna“ bringt sie die Altwiener Neunziger zurück.

Klein ist sie, die 33-jährige Jocye Muniz, wohl nicht mal 1,60 Meter. Aber das merkt erst, wer ihr direkt gegenübersteht. Sitzt man neben ihr, zum Beispiel an einem verregneten Tag in einem Neuköllner Café nahe ihrer neuen Wohnung, wirkt die Musikerin alles andere als klein: selbstbewusst, lebhaft, witzig.

Joyce Muniz wurde im brasilianischen São Paulo geboren und ist als Zwölfjährige mit der Mutter nach Österreich gezogen. Wenn sie spricht, dann scheint beides durch, das leicht nasale Wienerische und die Weichheit des Portugiesischen. Seit ein paar Wochen wohnt sie in Berlin. „Jetzt ist der richtige Moment für den Umzug. Ich hätte auch vor 13 Jahren kommen können, aber da war ich noch nicht ready für die Stadt. Berlin ist eine Stadt, die sehr viel bietet, aber du kannst auch sehr schnell untertauchen!“

Was das genau bedeutet? Joyce Muniz, die in der elektronischen Musik zu Hause ist, als DJ die Welt bereist und als Produzentin schon seit Jahren Tracks veröffentlicht, gehört nicht zu jener Masse der Musiker, für die Berlin in erster Linie ein Sehnsuchtsort ist. Das Clubleben interessiert sie nicht sonderlich, es sei denn, sie legt selber auf, zum Beispiel im Chalet, Watergate oder Prince Charles: „Ich bin ein wenig aus dem Alter raus und gehe schon in Clubs, seit ich 16 bin. Klar liebe ich Partys, es geht mir aber um anderes: Wenn ich gestern ausgegangen wäre, könnte ich jetzt nicht hier am Morgen sitzen und Interviews geben. Ich finde es traurig, wenn die Leute Berlin nur als Clubstadt sehen.“

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„Made in Vienna“ heißt das Debütalbum von Joyce Muniz. Zwei Jahre hat sie daran gearbeitet, viel Energie und Geld in diese Platte gesteckt. Viele Gastsänger/-innen wie Kat Vinter, Christa Vi und Enequist sind darauf zu finden. Gemischt hat sie Rodney Hunter, neben Kruder & Dorfmeister einer der Mitentwickler des „Sound of Vienna“ in den 90ern. Warme Houseklänge machen die Songs von Joyce Muniz aus, fast alle haben mit drei bis vier Minuten Länge eher Popsong- als Trackcharakter: „Die Sänger und Sängerinnen kommen aus ganz anderen Genres, aus Indie, Folk und Disco, nicht aus der House- und Electronic-Szene. Das Ziel war, das Album clubtauglich und wohnzimmertauglich zu produzieren.“

Natürlich ist Muniz nicht die Einzige, die sich an diesem Spagat versucht. In den letzten zwei, drei Jahren sind etliche Songs veröffentlicht worden, die harmonische Gesänge mit geraden Beats unterlegen, von Felix Jaehn bis Avicii, von Milky Chance bis Asaf Avidan. Doch Joyce Muniz beschreitet andere Pfade. Ihr Popansatz ist eher subtil, es geht ihr um Atmosphäre, um eine gewisse Tiefe, nicht umsonst wird sie mit der Londoner Produzentin Maya Jane Coles verglichen. „Made in Vienna“ hört sich weich an, längst vergangene Zeiten hallen nach, sagt Joyce Muniz. „Es finden sich sicher viele Einflüsse aus der Altwiener Zeit, aus den Neunzigern“. Letztendlich sei „Made in Vienna“ aber ein internationales Album, schon wegen der vielen Gäste.

Einer der auffälligsten Songs auf diesem Debütalbum – und der Song mit der spannendsten Geschichte dahinter – ist „Back In The Days“. Gastsänger ist der Rapper Bam, bekannt aus der Hip-HopFormation Jungle Brothers. Für diesen Song, der bereits 2014 veröffentlicht wurde, hat Joyce Muniz zunächst ohne Genehmigung eine Sequenz aus einem alten Kraftwerk-Song übernommen. Eine gefährliche Aktion, Kraftwerk lassen normalerweise nicht zu, dass ihre Musik gesampelt wird. Muniz aber hatte Glück, Kraftwerk-Gründer Ralf Hütter gefiel das Stück und gab seinen offiziellen Segen. Die Musikerin, die nicht müde wird zu betonen, dass sie DJ ist, nicht etwa DJane, bekam jede Menge Aufmerksamkeit in Musikerkreisen. Kraftwerk? Wirklich? Wow!

Sehr viel Groove

Auch wenn Joyce Muniz keine Unbekannte mehr ist, bewegt sie sich an der Schwelle zum Underground. Das könnte sich jetzt ändern, ihr Album hat das Zeug dazu, außerhalb der Clubszene Fans zu finden. Ob das auch der Plan ist, den die Neuberlinerin verfolgt, lässt sich ihr nicht entlocken. Zwar sei sie nicht nach Berlin gekommen, um sich hier „zu finden oder zu suchen“ oder ein Star zu werden. „Ich entscheide das nicht, was mit mir passiert, das macht der Konsument. Wenn ich bekannter werden sollte mit einem guten Track, dann ist das in Ordnung! Aber ich würde mir den Erfolg nicht erkaufen wollen.“ Vocals benutze sie nicht, weil sie Hits haben wolle, sondern weil sie die liebe und sehr viel spannender finde als Instrumentals.

Früher hat Joyce Muniz auch selbst gesungen, auf Portugiesisch. Seit sechs Jahren aber ist sie als House-DJ unterwegs, auf ihrem ersten Album ist sie selbst gar nicht zu hören, jedenfalls nicht mit der Stimme. „Mein Rhythmus kommt aus der Percussion. Der Großonkel meiner Mama hat eine Sambaschule geführt, und meine ganze Familie hat Percussion gemacht. Auch ich spiele heute Bongos und Congas. Ich habe auf jeden Fall sehr viel Groove.“

Andere Musiker kommen nach Berlin und fangen erst einmal an, in Bars oder Clubs zu arbeiten, um sich das Musikmachen leisten zu können. Das hat Muniz lange hinter sich, nach der Schule lernte sie in Österreich Hotelfachfrau. Was sie nach Berlin getrieben hat? „Ich habe dieses Album in Wien fertiggemacht und dann gedacht: Ich brauche neue Einflüsse. Zudem ist Berlin ja auch nicht so weit von Wien entfernt.“ Wie es weiter geht, werde sie ja sehen, sagt die Neu- Neuköllnerin, vielleicht gebe es ja als Nächstes ein „Made in Berlin“-Album.

„Made In Vienna“ erscheint auf Exploited Records. Record Release Party: Chalet, Vor dem Schlesischen Tor 3, 21.10., ab 24 Uhr

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