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Kultur: Jungbusch!

Philipp Kohls Doku „Transnationalmannschaft“

In seinem Dokumentarfilm „Transnationalmannschaft“ lässt Regiedebütant Philipp Kohl Menschen zu Wort kommen, die das Thema Integration direkt betrifft: Streetworker und Lehrer, Kneipiers und Polizisten, vor allem aber Migranten und deren Kinder. Das ist nicht unerhört originell, aber allemal interessanter als die üblichen Meinungsmacher mit ihren sattsam bekannten Positionen. Den räumlichen Rahmen für seine Untersuchung bietet der Mannheimer Problembezirk Jungbusch; den zeitlichen die WM 2010, in der die deutsche Nationalmannschaft, multikulturell wie nie, zu transnationaler Identifikation einlädt.

Die Begeisterung für das Team um Klose und Podolski, Özil und Khedira, Boateng und Cacau, Neuer und Müller ist der Auslöser zur Auseinandersetzung mit der eigenen nationalen Identität. Wenn er sich entscheiden müsste, sinniert Mücahit, Kapitän einer Jungbuscher Jugendfußballmannschaft, würde er nicht für Deutschland, sondern für die Türkei spielen. Wenn aber Mannheim ein eigenes Nationalteam hätte, oder besser noch der Jungbusch, dann käme für ihn definitiv nur das infrage. Auf Mannheim können sich alle Befragten einigen – vor allem wohl, weil nicht recht klar ist, was man sich unter „Deutschland“ vorzustellen hat. Die ersten Zeilen der Nationalhymne werden herangezogen. Einigkeit, Recht, Freiheit – alles ziemlich abstrakt. Da stiftet Özils Siegtor gegen Ghana deutlich mehr Identifikation.

Viele Aussagen der Protagonisten klingen wie pflichtschuldige Bekenntnisse zu angeblich deutschen Tugenden. Vielleicht hätte sich mehr über Integration erzählen lassen, wenn man die Personen nicht ausschließlich zum Thema Integration befragt hätte? Samir Nasrs brillanter Dokumentarfilm „Nachttanke“, 1998 ebenfalls während einer Fußball-WM in einer Ludwigshafener Tankstelle praktisch in Sichtweite vom Jungbusch gedreht, zeigt wunderbar, wie viel Menschen preisgeben, die man überhaupt nichts fragt. David Assmann

Tilsiter Lichtspiele

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