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Kultur: Käuze & Co.

Polnische Grenzgängerin: Anna Konik zeigt Videos

Thaddeus ist der König des Abfalls. Er hat so viel Altpapier und leere Tüten angestaut, dass ihm die Müllberge bis über die Hüfte reichen. Das gefällt ihm. Fröhlich steht er inmitten seiner Bude, von der bloß noch die Wände zu erkennen sind, und plaudert über Plakate und Prospekte. Thaddeus würde niemals zugeben, dass er ein Messie ist. Er bezeichnet sich als Sammler. Was Anna Konik die Sache nicht unbedingt einfacher machte. Die Videokünstlerin hat ihn gefilmt. Und es dauerte schon mal eine Stunde, bis sich Thaddeus den Weg zur eigenen Wohnungstür gebahnt hatte.

Intime Porträts liegen Anna Konik. Sie kann sich leicht einfühlen, den Menschen eine kleine Beichte entlocken, die verrücktesten Personen normal wirken lassen. „Ich will meine Protagonisten als Subjekt präsentieren“, sagt die gebürtige Polin. Und sie mag Grenzgänger – wie Mija, eine alte Dame, die nicht über den Tod ihres Mannes hinwegkommt. Die in der Küche sitzt, mit der Hand auf den Tisch schlägt und „immer allein, immer allein“ murmelt. Oder wie die Wissenschaftler, die sich ein Jahr lang in einer Grunewalder Villa abschotten von der Welt, sich zu Randfiguren machen.

„Villa der Verzückten“ heißt Koniks neueste Installation, zu sehen im Max-Liebermann-Haus. Ziemlich nette Bezeichnung für einen Ort voller verstaubter Bücher und trockener Literatur. Das Berliner Wissenschaftskolleg gibt nur herausragenden Forschern die Möglichkeit, miteinander zu grübeln und zu brüten. Selten weilt eine Bildende Künstlerin als „Fellow“ unter ihnen. Anna Konik war jedoch so begeistert von den bequemen Sesseln und hölzernen Regalen, dass sie ihren Aufenthalt in sieben zwölfminütigen Videoprojektionen festhielt.

Die Bilder, die auf weiße Stoffwände geworfen werden, hat die Künstlerin durch Fenster oder Glasscheiben gedreht. So nimmt der Betrachter den Lehrraum, den Esstisch, die Weingläser bloß verschwommen war, die Vorträge und Gespräche hört er verzerrt. Wie gern würde er mitdiskutieren, mitlachen! Doch ihm bleibt die Tür nur einen Spalt breit geöffnet. Immerhin weit genug, um ein Gefühl für die konzentrierte Ruhe dieser Institution zu entwickeln.

Anna Konik, die Frau mit dem „achtseitigen Lebenslauf“, so hieß es bei der Vernissage, wurde 1974 geboren. Sie studierte an der Warschauer Akademie der Künste, der Kunsthochschule Weißensee, stellte in Israel, Russland und den USA aus, um 2008 ihre Gastprofessur an der Humboldt-Universität anzutreten. Von dort bis zur Villa des Wissens ist es nur ein Schritt. Annabelle Seubert

Max-Liebermann-Haus / Stiftung Brandenburger Tor, Pariser Platz 7, bis 21. Mai, Mo-Fr 10-18 Uhr. Weitere Informationen: www.brandenburgertor.de

Annabelle Seubert

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