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Morricone

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Ennio Morricone: Kalkuliert groß

Zum 80. Geburtstag von Ennio Morricone. Seit 50 Jahren komponiert er für den Film und wirkt dabei wie ein italienischer Produktdesigner der Siebziger: die klassische Moderne im Hinterkopf, die Erfordernisse der Industrie im Blick, von Arbeitseifer beseelt. Ein bewusster Gestalter.

Der Herr über das größte Filmorchester aller Zeiten trägt stets einen Taschenrechner bei sich. Ennio Morricone entfacht Emotionen mit vollendeter Ökonomie. Seit 50 Jahren komponiert er für den Film und wirkt dabei wie ein italienischer Produktdesigner der Siebziger: die klassische Moderne im Hinterkopf, die Erfordernisse der Industrie im Blick, von Arbeitseifer beseelt. Ein bewusster Gestalter.

Zusammen mit Schulfreund Sergio Leone landete er 1964 mit „Für eine Handvoll Dollar“ einen Coup, der Hollywood ein Genre von nationaler Identifikation streitig machte – mit einer aufreibenden Sinfonie aus Geräuschen, elektronischen Verzerrungen, Coyotengeheul und Mundharmonikaklagelaut. „SpaghettiWestern“, das empfindet Morricone als Herabwürdigung für die Leone-Filme, die ohne seine Tonspur kaum ihren herausragenden Platz in der Filmgeschichte gefunden hätten. Den Westernanteil am eigenen Schaffen kalkuliert Morricone klein: „Sie machen nur acht Prozent meiner Filmmusiken aus.“

Dabei klingt der Maestro immer etwas gekränkt. In der Tat verfügt kein Filmkomponist über eine so große stilistische Vielfalt wie Morricone. Sie fußt auf einer exquisiten klassischen Ausbildung in Trompete, Orchestrierung und Komposition, genauer Kenntnis des Unterhaltungsgewerbes und einer intensiven Beschäftigung mit der musikalischen Avantgarde. Mit Beginn seiner Filmkarriere schließt sich Morricone der elitären „Gruppo di Improvvisazione Nouva Consonanza“ an – und schmuggelt immer wieder Klangmaterial in seine Filme ein, das im Konzertsaal nur ein Fachpublikum gefesselt hätte. Im Grunde ist Filmmusik banal, das weiß Morricone. Wie er es dennoch schafft, Millionen Menschen mit polyrhythmischen und seriellen Musikstrukturen zu begeistern, ist das Geheimnis des römischen Klangarchitekten.

Über 12 000 Werke hat er komponiert, für Regisseure wie Polanski, Carpenter, de Palma. Fünf Mal war Morricone für den Oscar nominiert, nie hat er ihn gewonnen, auch nicht für seinen oratorienhaften Soundtrack zu „The Mission“. Ob es Hollywood ihm übel nahm, dass er lieber in Rom bleiben wollte, als nach L. A. zu ziehen oder gar Englisch zu lernen? Als 2007 ein Anruf den Ehren-Oscar für Morricone ankündigt, ist ein Dolmetscher am Apparat. „We all love Morricone“ heißt die zu diesem Anlass veröffentlichte CD. Von Umarmungen des streitbaren Maestro zu seinem heutigen 80. Geburtstag ist abzuraten.

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