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Kultur: Kammermusik: Weltschmerz, Spuk und Glücksgefühl

Der Kontrast war denkbar groß: eingerahmt von einem ebenso aufgeräumten wie eloquenten Beethoven und einem vor jugendlichem Glücksgefühl übersprudelnden Mendelssohn, erklang das bruchstückhafte, bisweilen beklemmend schweigsame Streichquartett eines Zeitgenossen, dem Leid und Tod beinahe die Sprache verschlagen haben. Das Vogler-Quartett spielte im Mittelteil seines Abends im Schauspielhaus mit einer außerordentlichen Zartheit und Konzentrationskraft das Streichquartett " .

Der Kontrast war denkbar groß: eingerahmt von einem ebenso aufgeräumten wie eloquenten Beethoven und einem vor jugendlichem Glücksgefühl übersprudelnden Mendelssohn, erklang das bruchstückhafte, bisweilen beklemmend schweigsame Streichquartett eines Zeitgenossen, dem Leid und Tod beinahe die Sprache verschlagen haben. Das Vogler-Quartett spielte im Mittelteil seines Abends im Schauspielhaus mit einer außerordentlichen Zartheit und Konzentrationskraft das Streichquartett " ... fragment ..." (1970) von Peter Ruzicka.

Das sind fünf Epigramme, die ebenso von tödlicher Stille wie von fiebriger Erregung gezeichnet sind. Ruzicka hat sie mit 22 Jahren innerhalb von 48 Stunden unter dem Eindruck des Freitodes von Paul Celan komponiert, den er wohl als einer der letzten in seiner Pariser Wohnung besucht hatte. Der Dichter, dem er nun dreißig Jahre später auch sein erste, kürzlich in Dresden uraufgeführte Oper gewidmet hat, ist für den Komponisten ebenso Leitbild wie Mahler (den er zitiert), Webern (dessen aphoristische Art das Quartett bestimmt) oder Henze (ein vorübergehender Wahlverwandter). Ruzickas geistige Annäherung an die sich in geheimen Zeichen verlierende und so oft im Verstummen abbrechende Sprache Celans hinterließ in der schmerzlichen Klangaufsplitterung Spuren.

Beeindruckend, wie nachtwandlerisch sicher das Vogler-Quartett diese fünf Momentaufnahmen in ihren extremen Ausdruckssphären erfaßte. Schon das zu Beginn gespielte B-Dur-Quartett op. 18 Nr. 6 von Beethoven musizierte das Vogler-Quartett mit sehr filigraner Klangzeichnung und einer gehörigen Steigerungsfreude. Die eigenartige Einleitung (La Malinconia) zum Finale besaß Züge tiefen Weltschmerzes.

Zum Schluß tat sich das Vogler-Quartett mit einem anderen jungen Eliteensemble zusammen und bescherte mit dem Artemis-Quartett mit einer alles hinwegfegenden Elementarkraft das Es-Dur-Oktett op. 20 des 16jährigen Mendelssohn. Bei aller aufgekratzten Artistik kamen auch Mendelssohns ureigener, spukhafter Klangzauber nicht zu kurz.

Eckart Schwinger

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