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Praia do Futuro.

© Realfiction

Karim Aïnouz' Melodram "Praia do Futuro": Das Fürchten lernen

Der brasilianische Regisseur und Künstler Karim Aïnouz folgt in „Praia do Futuro“ zwei Männern von Brasilien nach Berlin - und scheitert dabei dramaturgisch.

Unter dem blauen Himmel Brasiliens erstrecken sich sonnengelbe Dünen, zwischen Windrädern ziehen zwei Motocrossfahrer ihre Spur. Der Suicide-Song „Ghost Rider“ dröhnt dazu irre laut, verspricht Rebellion, Geschwindigkeit, Freiheit und Gefahr. Es sind zwei Freunde aus Deutschland, die die Strömung des Ozeans wenig später erfasst – und auch „Praia do Futuro“ (Strand der Zukunft) des brasilianischen Regisseurs und Künstlers Karim Aïnouz setzt in seiner Eingangssequenz ganz auf den Sog, das Prinzip Überwältigung.

Einer der beiden ertrinkt. Konrad (Clemens Schick) überlebt knapp und stürzt sich alsbald in eine Affäre mit dem Rettungsschwimmer Donato (Wagner Moura). Am Strand schildert ihm Donato, wie der hohe Salzgehalt der Luft die Häuser am Ufer langsam zerstört. Angetrieben von Konrads Schweigen verrennt er sich – gegen seine eigene Trauer und die Selbstvorwürfe – in einen anrührend absurden, hilflosen Monolog.

Doch der Sog des Films hält nicht an. In Zeitsprüngen, in denen die Figurenentwicklung allenfalls an wechselnden Haar- und Bartlängen ablesbar scheint, folgt der Film erst Konrad, dann auch Donato nach Berlin – und Jahre später steht der wütende, in Brasilien vergessene kleine Bruder Donatos vor der Tür. Doch was die einsilbigen Figuren tatsächlich antreibt und verbindet, bleibt unklar. Stattdessen: dürre Andeutungen.

Heimvorteil: Aïnouz wuchs am Praia do Futuro auf

Aïnouz, vielfach ausgezeichnet für sein Debüt über den Drag-Performer und Capoeirista „Madame Satã“ (2002), hat diesmal einen doppelten Heimvorteil – er wuchs am Praia do Futuro auf, dem Stadtstrand von Fortaleza in Nordostbrasilien, und lebt seit einigen Jahren in Berlin. Dramaturgisch aber macht er nichts draus, sondern verlässt sich auf die Schönheit präzis komponierter Totalen und auf das schlichte Farbkonzept: Brasilien in warmen Tönen, Berlin im kalten Februargrau.

Unschlüssig bewegt sich „Praia do Futuro“ zwischen Melodram, Coming-of-Age- und binationaler schwuler Liebesgeschichte, und spät bringt Donato, pathetisch aus dem Off, die Moral des Films auf den Punkt. Drei Männer ziehen aus, das Fürchten zu lernen; und wer die Angst nicht leugnet, aber überwindet, ist ein moderner Held. Für 100 Filmminuten eine schmale Quintessenz.

OmU im Eiszeit, Filmrauschpalast, Hackesche Höfe, Lichtblick und Xenon

Ines Meier

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