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Kultur: Ketten aus Pappmaché

Katharina Wagner inszeniert Lortzings „Waffenschmied“ in München

Kirsten Harms war da, Thielemann war da – und halb oder ganz Bayreuth sowieso. Dame Gwyneth Jones gab sich die Ehre, Bayerns Kunstminister Goppel fühlte sich bemüßigt, Stefan Braunfels redete mit, und aus der Königsloge warfen Gudrun und Wolfgang Wagner Kusshände nach links und nach rechts. Fehlten im Parkett bloß noch Beckenbauer und Margot Werner. Gleichwohl ist das Ganze gar nicht so leicht zu erklären.

Wie konnte es passieren, fragte man sich nach gefühlten vier Stunden langweiliger, notdürftigst verklappter Lortzing-Musik (tatsächliche Spieldauer: 100 Minuten!), dass das Münchner Gärtnerplatztheater, dessen Zahlen nicht zum Besten stehen, sich eine solche „Waffenschmied“-Laubsägearbeit unter Regie von Katharina Wagner als Neuproduktion ans Bein bindet? Wie kann es sein, dass Dirigent David Stahl eine Partitur zum Chefstück erklärt, mit deren unverblümtem Nebeneinander von romantischer Tümlichkeit und revolutionärem Tschingdarassabum er nichts anzufangen weiß? Und: Wer erlaubt heute eigentlich noch, dass, wenn‘s denn stimmt, zwei komplett neu angefertigte Kostümsätze in den Fundus wanderten, damit sich nun in Kleid und Bild ein ebenso opulenter wie wenig sinnreicher zeitlicher Dreisprung – Mittelalter, 1848, 1914 – auf die Bühne ergießt? Zum bösen Schluss jedenfalls war selbst der Tontechniker so entnervt, dass ihm beim Bedienen des Reglers für die Mikroports (es wird viel und steif gesprochen) mehr als einmal die Hand ausrutschte ...

Antwort: Es geht hier nicht um Kunst. Es geht darum, dass ein Händchen das andere wäscht. In der Branche ist das nicht unüblich. Selten aber wird es so freimütig praktiziert – und so verantwortungslos. Da ist Klaus Schultz, der Intendant, der sich seine Beratertätigkeit bei den Bayreuther Festspielen sichern möchte, auch über Wolfgang Wagner (85) hinaus – also beschert er Katharina Wagner (26) mit dem „Waffenschmied“ ihre dritte Regiearbeit. Da ist der „Alte“, der seine Tochter hurtigstmöglich als Nachfolgerin in Bayreuth inthronisieren will – also muss sie sich in guter Familientradition künstlerische Sporen verdienen. Da ist David Stahl, der sich für den mystischen Abgrund empfiehlt – also findet sich die Gärtnerplatz-Version der Oper nicht nur und unsinnigerweise durch den Radetzkymarsch bereichert, sondern auch durch Richard Wagners gut zehnminütigen „Huldigungsmarsch“ (vor geschlossenem Vorhang!).

Und da ist Katharina Wagner selbst, die das Regie-Handwerk noch ein bisschen üben muss, will sie auf dem Grünen Hügel 2007 mit den „Meistersingern“ debütieren. Um sie tut es einem herzzerreißend Leid. Was sie kann und was sie will, war nicht auszumachen. Lortzings Marie aber, eine verkappte Revoluzzerin, führt sie schließlich an Pappmaché-Ketten ins finale Eheglück. Ob ihr der Befreiungsschlag gelingt, wird demnächst in Berlin zu besichtigen sein: 2005/06 inszeniert Katharina Wagner an der Deutschen Oper Puccinis „Trittico“. Auch kein leichtes Stück.

Christine Lemke-Matwey

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