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Kultur: Kinky Kino

wandelt auf den Spuren des wilden RWF Ein gepanzertes Wammerl auf die alten Tage. Ab und zu eine grantige Stellungnahme zur Filmförderpolitik.

wandelt auf den Spuren des wilden RWF Ein gepanzertes Wammerl auf die alten Tage. Ab und zu eine grantige Stellungnahme zur Filmförderpolitik. Oder wäre er nicht sowieso längst ausgewandert nach Hongkong oder Hollywood? So richtig vorstellen lässt sich der zarte Berserker Fassbinder mit den ehrwürdigen 60 Jahren nicht, die er am Dienstag erreicht hätte, wenn ... ach, vielleicht hat RWF nur zum richtigen Zeitpunkt die Kurve gekratzt. Gefeiert wird der Geburtstag trotzdem, wenn auch eher am Rande, mit zwei Festabenden in der Volksbühne und einer Mini-Retro im Brotfabrik-Kino, wo bis Sonntag vier wenig bekannte Filme des Meisters auf dem Programm stehen.

Alle sind – beneidenswerte Produktivität! – im Jahr 1970 entstanden, sonst aber Welten entfernt: Rio das Mortes etwa könnte man als Abenteurerkomödie bezeichnen, Die Niklashauser Fart am ehesten als politische Moritat. Alle vier wurden von der Kritik damals wenig goutiert – so bezeichnete Wilhelm Roth die Fleißer-Verfilmung Pioniere in Ingolstadt als Fassbinders „matteste Arbeit“ und das Südstaatenmelodram Whity als seinen erfolglosesten Film. Doch machen nicht gerade diese Verdikte neugierig auf Überprüfung?

„Whity“ ist nicht nur RWFs erste Zusammenarbeit mit dem Kameramann Michael Ballhaus, sondern auch einer seiner wenigen Filme, der die bekannten Vorbilder am amerikanischen Originalschauplatz inszeniert. Und das lange bevor Dallas und Denver die Familienprobleme texanischer Clans ins deutsche Populärbewusstsein hievten. Die in der texanischen Nachbarschaft gelegene Ranch des Countrysängers und Krimiautors Kinky Friedman durfte da eine ganze Parallelwelt entfernt sein. Doch das täuscht. Denn der 1944 geborene Althippie und – in eigenen Worten –„einzige kaltblütige Jude, der je die Bühne der Grand Old Opry in Nashville bestiegen hat“, hat trotz seiner Fast-Sechzig die Lust an der Grenzüberschreitung noch nicht verloren. So hat er jetzt, nach dem 17. durchgeknallten Krimi, dem Schreiben abgeschworen und kandidiert für den Posten des Gouverneurs im Heimatstaat des Präsidenten. Beneidenswerte Texaner!

Auasschließlich literarische Gründe hat es, wenn Suzan Beermann am Freitag zum bunten Kinky-Friedman-Abend ins Eiszeit lädt. Gefeiert wird die deutsche Neuerscheinung von Friedmans vorletztem Band „Ballettratten in der Vandam Street“ unter anderem mit einer Vorführung von Simone de Vries gelungenem Filmporträt des Künstlers, in dem auch Kinky-Fan Bill Clinton und kubanische Zigarren eine prominente Rolle spielen. Das Werk heißt angemessen „Proud to be an Asshole from El Paso“.

Und schon sind wir genau dort, wo wir hinwollten. Von El Paso nach Ciudad Juarez auf die andere Seite der US-mexikanischen Grenze. Und dann ab in die Wüste, wo neben der Wehranlage geballt gerüstete Ranger klarmachen, dass das Ende des Kalten Krieges nicht das Ende von Freiheitsbeschränkungen ist. Chantal Akermans De l’autre côté ist eine filmische Untersuchung dieser Grenze und eine vorzügliche Ergänzung zu einem anderen Dokumentarfilm – Simone Bittons „Mauer“ (der zur Zeit im Kino läuft). Nach der Vorführung (Dienstag in der alten Akademie der Künste) kann mit dem mexikanischen Kulturwissenschaftler Manuel Valenzuela diskutiert werden.

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