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Kultur: Kino Babylon: Gelb rein, Gilb raus

Manchmal gibt es auch gute Nachrichten aus der langsam ausblutenden Berliner Kino-Landschaft. Endlich steht einmal eine Eröffnung auf dem Plan.

Manchmal gibt es auch gute Nachrichten aus der langsam ausblutenden Berliner Kino-Landschaft. Endlich steht einmal eine Eröffnung auf dem Plan. Eine Wiedereröffnung, nun gut, aber eine lang ersehnte. Und immerhin kein Multiplex.

Am Freitag öffnet in neuem Glanz ein Berliner "Filmkunsthaus" wieder endgültig seine Pforten, das in den letzten acht Jahren immer nur mit halber Kraft agieren konnte. 1993 wurde der Kinosaal des Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz wegen eines Deckeneinbruchs geschlossen. Da hatte eine Gruppe engagierter Unterstützer gerade durchgesetzt, dass das ehemalige DDR-Programm-Kino als kommunales Kino erhalten bleiben konnte. Doch Dachschaden ist Dachschaden. Und eine Generalüberholung stand bei dem damals noch kohlenbeheizten Gebäude sowieso dringend an. Aus der Not eine Tugend machend, begann der Betreiber-Verein zunächst provisorisch das Kinofoyer zu bespielen. Parallel wurde in Sachen Finanzierung der Rekonstruktion mit potenziellen Geldgebern verhandelt - wobei erschwerend hinzukam, dass auf dem Gebäude noch Restitutionsansprüche lasteten.

Diese sind nun nach vielen Jahren mit positivem Ergebnis entschieden. Zwei Jahre lang wurde gebaut, im Frühjahr schon das kleine Siebzig-Plätze-Studio im Bühnenhaus eröffnet. Elf Millionen Mark hat die Angelegenheit insgesamt gekostet, inklusive Technik und schwer entflammbarer Bestuhlung. Nun wurden bei einem Rundgang mit dem Architekten H.-W. Hämer auch Foyer und großer Saal der Öffentlichkeit präsentiert.

Wer den historischen Gebäudezustand nur von den üblichen Schwarz-Weiß-Fotografien kennt, dürfte vom Originalobjekt einigermaßen schockiert sein. Hans Poelzig nämlich hatte damals keineswegs in Schwarz-Weiss-gebaut. Und auch nicht in Sand und Naturstein, wie man es sich leichtsinnig imaginieren könnte. Nein, dies hier ist Farbfilm, vielleicht irgendeine schon angeranzte rotstichige Kopie. Viel, sehr viel Hellgelb an den Wänden, angereichert mit orangefarbenen (Pfeiler) und rostroten (Türen) Elementen. Ein Dreiklang in Herbst-Laub: Farblich unterkühlt ist dieses Exemplar Neuer Sachlichkeit nicht gerade ausgefallen.

Doch über Geschmack lässt sich bekanntlich schlecht streiten, in diesem Fall schon gar nicht. Schließlich waren hier nicht Designer am Werk, sondern Denkmalschützer. Seit 1985 schon steht das Ende der zwanziger Jahre von dem Berliner Architekten Hans Poelzig als Teil eines größeren Ensembles entworfene Gebäude unter Denkmalschutz. Wichtiger noch: Erst die Aufnahme in das Denkmalprogramm von Bund und Land vor vier Jahren ließ die nötigen Mittel für die Rekonstruktion des Hauses fließen. Sie machte die Restaurierung des mehrfach umgebauten Hauses aber auch zu einer gewissermaßen archäologisch zu verstehenden Aufgabe. Welche der freigelegten Farbschichten gibt den vom Architekten intendierten Ur-Zustand wirklich authentisch wieder? Was wurde von einem ungezogenen Kinobetreiber eigensinnig hinzugefügt?

Ein Kino ist kein Architekturmuseum. Natürlich ist die Frage nach dem Originalzustand auch eine Frage der Interpretation - und der Möglichkeiten. So wurde das Foyer nach Poelzig, der Kinosaal selbst aber - mit Modifikationen - nach den Umbauten der Nachkriegszeit rekonstruiert, in der das Kino mangels repräsentativer Alternativen zum Defa-Premierenhaus avancierte. Hier wurde ein bisschen mehr geprunkt, und jetzt stärker nachgebessert. So ist das ursprünglich auch hier dominierende Gelb einer hellgrauen Lamellenwand gewichen und taucht nur - quasi als Zitat - in einer Wandbespannung aus ockergelbem Tuch wieder auf, die die indirekte Beleuchtung verbirgt. Auch die Lautsprecher sind hinter dem schallschluckenden Stoff versteckt.

Während zur Stummfilmzeit ein Kinosaal wie ein Kirchenschiff hallen durfte, braucht die heutige Kinoakustik einen schalltoten Raum, um die ausgetüftelten Sound-Effekte wirken zu lassen. Im neuen alten Babylon gibt es jetzt alles zugleich. Die alte Philips-Kino-Orgel, die neben Orgelklängen auch lautmalerische Effekte zelebrieren kann. Einen Orchestergraben. Und ein modernes Surround-System, das so diskret hinter der Bespannung verborgen ist wie die Lüftung unter den grauen Teppich-Fliesen. Und auch in Sachen Leinwand fährt man doppelbödig. So lässt sich die Normalleinwand unter dem Bühnenboden versenken, um Platz für Live-Auftritte oder die dahinterliegende Stummfilmleinwand freizugeben.

Erst die Eröffnung von neuen Kino-Palästen wie dem Kosmos und dem International in den 60er Jahren ließ das Babylon damals zum Nischenkino des staatlichen Abspielbetriebs werden. Eine geräumige Nische war es allerdings immer. Und auch wenn einige dieser Plätze größerer Beinfreiheit geopfert wurden, dürfte es den Programmplanern dauerndes Kopfzerbrechen bereiten, die 430 Plätze (davon 25 auf dem Rang und 12 in Separat-Logen) des großen Saals auch nur annähernd zu füllen. Sorgen, die dem Programm zur Wiedereröffnung des Hauses im grßen Stil glücklicherweise nicht anzusehen sind. Hier gibt es die bewährte Mischung aus Defa und Hollywood, Stummfilm und Filmkunst, Ufa und Osteuropa; Béla Tarr ebenso wie eine Reihe mit Cinemascope-Filmen, die sich von Konrad Wolfs "Goya" bis "Blade Runner" spannt. Die Notlage aber ist abzusehen, denn bis jetzt hat die finanzierende Senatsverwaltung es nicht für nötig befunden, die bisherige Förderung von rund 400 000 Mark pro Jahr aufzustocken. Zwei Kinos sind mit dem Etat von einem aber nicht zu bespielen.

Und das krasse Hellgelb? Es wird hoffentlich langsam vergilben. Als Einblick in die Historizität von Geschmacksfragen ist es sogar lehrreich. Sollen nicht auch die griechischen Tempel einst knallbunt bemalt gewesen sein? Wünschen wir uns, dass kein Denkmalschützer die Akropolis unter die Finger bekommt.

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