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City-Lights: Drehen, bis die Ärzte kommen

Frank Noack wünscht sich mehr Popmusiker auf der Leinwand - im Zeughauskino startet die Retrospektive "Punk, Pop, Rock".

Die Vertreter des Neuen Deutschen Films hatten, anders als ihre französischen und britischen Kollegen, ein gestörtes Verhältnis zur Popmusik. Da ihre Ablehnung von „Papas Kino“ vor allem Heimat- und Schlagerfilme betraf, waren für sie Schafe und Kühe ebenso tabu wie singende oder musizierende Hauptdarsteller. Wenigstens bei Wim Wenders gab es reichlich Rock und Jazz auf der Tonspur, aber seine Liebe zu den Rolling Stones, Jimi Hendrix, Bob Dylan, Chuck Berry und Deep Purple ging nicht etwa so weit, Popstars als Hauptdarsteller zu engagieren; erst für sein umstrittenes Spätwerk „Palermo Shooting“ holte er Campino. Rainer Werner Fassbinder wiederum hat Schlager immer nur distanziert-ironisch eingesetzt, um damit eine verlogen heile Welt zu demaskieren. Erst in den anspruchsvollen westdeutschen frühen Achtzigern konnte man Nena und Peter Maffay als Filmstars bewundern; auch die Ärzte, Blixa Bargeld und Trio waren auf der Leinwand zu sehen.

An dieses halb vergessene Kapitel deutscher Filmgeschichte erinnert das Zeughauskino mit der Retrospektive Punk, Pop, Rock. Die neue deutsche Welle und das Kino. Das besondere Etwas hatten diese Filme vor allem deshalb, weil sie nicht wirklich populär waren. Ihren Machern waren traditionelle Kunstauffassungen so wurscht wie die Kassenerlöse. Zur Strafe gab es weder den Goldenen Bären noch die Goldene Leinwand, und das war ihnen genauso egal. Doch gerade das macht diese chaotischen und überdrehten Filme heute reizvoll – als enthemmte Reaktion auf das zunehmend dröge sozialliberale Kino der guten Absichten.

Hans Noevers Total vereist nimmt eine Leichenfeier zum Anlass, groteske Trauergäste vorzuführen, an ihrer Spitze Rio Reiser (Freitag). Der Titel bezieht sich auf einen eingefrorenen Piloten aus dem Ersten Weltkrieg, Noever selbst übernahm die Rolle der aufgebahrten Leiche. Ein ähnliches Durcheinander herrscht in Adolf Winkelmanns Super, einem postapokalyptischen Ruhrpott-Actiondrama mit Udo Lindenberg und Inga Humpe (Freitag).

Über Eckhart Schmidts Der Fan (Sonnabend und Sonntag) sprach 1982 die gesamte Nation, ohne ihn gesehen zu haben – oder sehen zu wollen. Das war der Film, für den sich die 16-jährige Desirée Nosbusch nackt ausgezogen hat, weil sie dachte, die Kamera sei weit weg und die Beleuchtung spärlich. Zu spät erkannte sie, dass der Kameramann ein Zoomobjektiv benutzt hatte. Skandalträchtig war auch der Inhalt: Der Fan (Nosbusch) zerlegt sein Idol (Bodo Staiger) mit dem elektronischen Küchenmesser und verspeist Teile von ihm. Schmidt erzählte die Geschichte ganz ironiefrei, was ihm damals angelastet wurde. Der heutige Zuschauer, übersättigt durch parodistische Horrorfilme, ist dafür dankbar. Die Musik stammt von Rheingold.

Musik von Fehlfarben dominiert einen weiteren Film dieser Güteklasse, das Gemeinschaftswerk Neonstadt, zu dem Dominik Graf eine Episode beigesteuert hat (Sonntag). In der von Wolfgang Büld gedrehten Episode „Disco Satanica“ richtet ein Mann mit Travolta-Maske ein Blutbad an. Solche Exzesse hätte man Eichingers biederem Bushido-Film gewünscht.

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