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CITY Lights: Große Fische, kleine Fische

Frank Noack wundert sich über Citizen Kane, den Kino-Olymp, Rekordjagden und den allgemeinen Mangel an Kamerafrauen.

Über Citizen Kane, den laut Kritikerumfragen wohl auf ewig besten Film aller Zeiten (bis Mittwoch im Lichtblick und Moviemento), ist eigentlich alles gesagt. Nur die Begründung seines Status überzeugt nicht so ganz. Alles, was an dem Film hervorgehoben wird – Tiefenschärfe, Rückblenden mit unterschiedlichen Perspektiven, überlappende Dialoge –, gab es 1941 längst. Und selbst wenn Orson Welles diese Zutaten erfunden hätte: Technische Neuerungen ergeben noch kein Meisterwerk, das sieht man an den grauenvollen ersten Tonfilmen.

Orson Welles sei der Platz im Kino-Olymp von Herzen gegönnt, auch machen solche Umfragen Spaß. Nur: Hitlisten sind unseriös. Bei anderen Künsten wären sie undenkbar: Es gibt weder das drittbeste Gemälde aller Zeiten noch das zehntbeste Gedicht. Kunst kann man nicht objektiv messen. Wohl aber Einspielergebnisse: Durch „Citizen Kane“ hat die Produktionsgesellschaft RKO Radio damals 160.000 Dollar verloren, bei Kosten von knapp unter einer Million. Nur: Wen interessiert heute das Box Office von 1941?

Kontroverse Themen und exzentrische Regisseure duldet die Filmindustrie heute schon. Aber Kamerafrauen? Im Vorspann teurer Hollywoodfilme sucht man ihre Namen vergeblich. In Frankreich hat es immerhin Agnès Godard an die Spitze geschafft und bei uns Sophie Maintigneux, Judith Kaufmann und Jutta Pohlmann. Eine der ersten deutschen Kamerafrauen wird im Arsenal vorgestellt: Quinka Stoehrs Porträt Zuneigung (Dienstag und Mittwoch) erzählt bruchstückhaft aus dem dramatischen Leben von Gisela Tuchtenhagen, die als Scheidungskind ins Erziehungsheim abgeschoben wurde, von dort ausbrach, nach Frankreich floh und an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) landete. Hier lernte sie Klaus Wildenhahn kennen, wurde seine Kamerafrau und Lebensgefährtin. Später machte sie sich selbständig, drehte eigene Dokumentationen über Heimkinder und Behinderte. Stoehr und Tuchtenhagen werden zur Vorführung persönlich erscheinen.

Auch Jacques-Yves Cousteau, der legendäre Unterwasserfilmer, hat das wahre Leben festgehalten – auf seine Weise. Die großen und kleinen Fische sind echt, und es sind auch keine verkleideten Filmstars, die bei der Konfrontation etwa mit Haien ihr Leben riskieren. Gemeinsam mit Louis Malle erforschte Cousteau Die schweigende Welt (heute im Zeughauskino) und gewann damit 1956 die Goldene Palme in Cannes. Der Film hebt sich wohltuend von den zumeist penetrant niedlichen Disney-Tierfilmen ab. Dafür sorgen schon die – echten – Taucher: Ihre furchterregenden Physiognomien könnten einer Schwerverbrecherkartei entnommen sein.

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