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City Lights: Liebesgrüße aus Prag

Frank Noack entdeckt die deutsch-tschechischen Filmbeziehungen.

Zu den ersten deutschen Filmen, die künstlerisch ernst genommen wurden, gehörten „Der Student von Prag“ und „Golem“. Beide stehen für eine wechselhafte, konfliktreiche, inzwischen so gut wie eingeschlafene Filmbeziehung. Jahrzehntelang drehten deutsche Teams in der Tschechoslowakei, während Tschechen aus Karrieregründen, nach dem Prager Frühling dann aus politischen Gründen, nach Deutschland gingen. Das Zeughauskino würdigt diese Beziehungen nun in der Reihe „Kino im Herzen Europas“, die mit dem Stummfilm Der Mädchenhirt fortgesetzt wird (Freitag, am Klavier: Peter Gotthardt). Karl Grune drehte die Zuhältertragödie 1919 nach einer Vorlage von Egon Erwin Kisch. Doch Prag bot mehr als reizvolle Kulissen: Mit Anny Ondra brachte der tschechische Film einen internationalen Star hervor. Sie war die Lieblingsdarstellerin von Alfred Hitchcock und bereicherte den deutschen Film um einen neuen Frauentypus, war sexy und komisch zugleich. Die frivole Weimarer Girl-Kultur rettete sie in die frühe NS-Zeit, zum Beispiel in Karel Lamacs Der junge Graf von 1935 (Sonnabend).

Danach war erst einmal Schluss mit lustig. Die Tschechoslowakei wurde besetzt, Lamac ins Exil und Ondra an den Herd getrieben; immerhin als Ehefrau von Max Schmeling. Als filmische Wiedergutmachung inszenierte Kurt Hoffmann 1964 Das Haus in der Karpfengasse (Sonnabend) über das Leid der jüdischen Bevölkerung unter deutscher Besatzung. Hoffmann, der Kassenmagnet unter den westdeutschen Regisseuren, riskierte damit ein finanzielles Desaster. Aber das war ihm die Sache wert.

Dass jemand für einen Film sein Vermögen riskiert, gut – aber die Gesundheit? Damit wären wir bei Lon Chaney, dem „Mann mit den 1000 Gesichtern“, der sich Gliedmaßen abband und Gummistücke unter die Augenlider schob. Für seinen ersten Tonfilm übte er fünf verschiedene Krächzstimmen ein, was ihm Blutgefäße im Hals platzen ließ, kurz darauf starb er. Seine Nase war bereits 1923 für Das Phantom der Oper malträtiert worden (Sonnabend im Arsenal). Wie Chaney hier sein Riechorgan deformiert, hat zum Glück niemand nachgemacht. Aber nicht nur deshalb ist diese Adaption des Gruselklassikers unerreicht. Auch die Musik von Andrew Lloyd Webber bleibt uns erspart.

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