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Citylights: Audrey Hepburn im Hauptbahnhof

Silvia Hallensleben betreibt Feldforschung unterm Hauptbahnhof. Vier Audrey-Hepburn-Filme werden dort täglich im Rahmen der "timeless audrey"-Ausstellung gezeigt. Echtes Kino sind die DVD-Großbildprojektionen allerdings nicht.

Unlängst war an dieser Stelle von den New Yorker Cinemaniacs die Rede, die geistige Unversehrtheit und körperliches Wohlergehen auf dem Altar der Cinephilie opfern. Echte Film-Enthusiasten führen zudem über den laufend akkumulierten Sehstoff penibel Tagebuch. Digital-öffentliches Äquivalent solcher Sammelsüchte sind Blogs wie „Shooting Down Pictures“ (alsolikelife.com), wo sich der New Yorker Kritiker Kevin B. Lee wortreich an einer Filmliste abarbeitet, die unter dem Titel „They Shoot Pictures, Don''t They“ (theyshootpictures.com) das grassierende Listenwesen um eine aus weltweiten Quellen gespeiste Aufstellung der angeblich 1000 renommiertesten Filme erweitert. Über die übliche Mischung aus buchhalterischer Pedanterie und postpubertärem Größenwahn erhebt sich „Shooting Down Pictures“ durch kleine Videoessays, die die filmkritische Argumentation mit kommentierten Filmausschnitten ergänzen und auch auf Youtube eingestellt wurden: Filmkritik auf der – zumindest technisch-methodischen – Höhe der Zeit.

Anfang des Jahres aber bekamen diese Form öffentlicher Filmdebatte und ClipAutor Kevin B. Lee mächtigen Gegenwind von der Filmindustrie, die die Videos wegen angeblicher Copyright-Verletzung von Youtube löschen ließ. Denn der scheinbar so öffentliche Marktplatz steht unter privater Verfügung: Da nützt es wenig, dass die wissenschaftliche und nichtkommerzielle Nutzung von Zitaten rechtlich gedeckt ist. Wer auf den aktuellen Stand kommen will: Morgen Abend wird Lee im Arsenal zu Gast sein, in einem Programm, das sich der digitalen Filmvermittlung widmet und auch einige der Filmchen auf die große Kinoleinwand bringt. Moderiert wird das Ganze von dem deutschen Netzkünstler und Anti-Copyright-Aktivisten Sebastian Lütgert (piratecinema.org), dessen Kompetenz sich auch aus eigenen schmerzlichen Erfahrungen mit Urheberrechtsverletzungen speist.

Diese Woche sind ein gutes Dutzend Filme der genannten Liste im Kino zu sehen, von Alien (Mittwoch im Arsenal) bis zu Die Zeremonie/ Gishiki von Nagisa Oshima (Sonnabend im Zeughaus). Von den vier Audrey-Hepburn-Filmen, die täglich im Rahmen der „timeless audrey“-Ausstellung im Hauptbahnhof gezeigt werden, sind Funny Face von Stanley Donen, William Wylers Roman Holiday und Blake Edwards’ Frühstück bei Tiffany auf der Liste. Echtes Kino sind die dortigen DVD-Großbildprojektionen allerdings nicht, eher entspanntes Public Viewing mit Gleichgesinnten, die ebenfalls den langen Weg hinter die Stahltüren im Unterleib des Mehdorn-Monsters gefunden haben. Als die Stadterleuchterin dieser Tage im Café-Raum am Rand der Ausstellung zu Gast war, verfolgte eine Handvoll Damen reiferen Alters von ihren Kaffeehausstühlen mit geballter Konzentration, wie Audrey alias Sabrina (in Billy Wilders gleichnamigem Film) aus Humphrey Bogarts Industriellenmiene romantische Hingabe herauszaubert. Im anderen DVD-Ausstellungskino nebenan wird übrigens ganz demokratisch Mitbestimmung praktiziert: Hier darf das Personal selbst jeden Tag aufs Neue entscheiden, welche DVD eingelegt wird.

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