zum Hauptinhalt
Die Hauptfigur Ai Weiwei sitzt vor einem Computer in einer Szene des Kinofilms «Ai Weiwei: Never Sorry ».

© dpa

Dokumentarfilm „Never Sorry“: „Ai Weiwei ist kein Übermensch“

Ai Weiwei ist der prominenteste chinesische Gegenwartskünstler und schärfste Regimekritiker im eigenen Land. Die US-amerikanische Regisseurin Alison Klayman zeigt in der Doku "Never Sorry" ein eindringliches Porträt eines Gesamtkunstwerkers, Teamworkers und Kommunikationsgenies.

Ai Weiwei hat 40 Katzen, und eine von denen kann Türen öffnen. Ai kommentiert: "Katzen können Türen öffnen, aber schließen können sie nicht." Was meint er damit? Die 28-jährige Regisseurin Alison Klayman lässt die Frage offen.

Klayman hat Ai Weiwei zwei Jahre lang begleitet und eine schöne Doku produziert. Die 28-jährige US-Amerikanerin studierte Geschichte an der Brown University in Rhode Island. Kurz nachdem sie ihren Abschluss machte, fuhr sie nach China, um dort als freie Journalistin zu arbeiten. Aus einem kurzen Video über eine Ausstellung von Ais Fotografien wurde schließlich ein 90-Minuten-Film, der auf dem Sundance Festival im Januar den Sonderpreis der Jury erhielt.

Wer ist Ai Weiwei? Alison Klaymans Antwort ist komplizierter als viele Zuschauer erwartet haben. Er ist ein Performance-Künstler, der mehr als zehn Jahre in New York wohnte. Er baute in Peking am „Vogelnest“ mit, dem Nationalstadion für die Olympischen Spiele 2008. Später distanzierte er sich von dem "falschen Lächeln für die Ausländer", das die Propaganda für Olympia aufsetzte. Sein Künstler-Freund Chen Danqing nennt ihn einen „Hooligan“. Zugleich ist er Vater eines dreijährigen Jungen, er ist Ehemann und Sohn.

Die US-Amerikanische Regisseurin Alison Klayman spricht als Gewinner des „Special Jury Prize Documentary“ auf dem Sundance Film Festival 2012 im amerikanischen Bundesstaat Utah.
Die US-Amerikanische Regisseurin Alison Klayman spricht als Gewinner des „Special Jury Prize Documentary“ auf dem Sundance Film Festival 2012 im amerikanischen Bundesstaat Utah.

© dpa

Der Titel „Never Sorry“ - zunächst ein Wortspiel mit Ais „So Sorry“-Ausstellung in München – spiegelt laut Klayman Ais Haltung, seinen trotz aller Repressionen unerschütterlichen Glauben an die Meinungsfreiheit wider. Der Film versucht zu erklären, wie Ai Weiwei zu einer weltweit geachteten Symbolfigur für künstlerische Freiheit wurde. Ai geht davon aus, dass diese Botschaft beim Zuschauer ankommt.

Der Film zeigt aber mehr als Ais Rolle als Künstler und öffentlicher Intellektueller. Klayman hat die Mutter und den Bruder besucht, sprach mit der Ehefrau, zeigt Ai Weiwei auch als Vater eines unehelichen Sohns. „Sein Sohn ist ein beachtlicher Teil von Ais Leben, und auch ein wichtiger Grund dafür, dass die Regierung ihn unter Druck setzen kann“, sagt Klayman. „Ich möchte die Wahrheit nicht verstecken. Weiwei ist kein Übermensch. Er ist eine ganz normale Person.“

Bildergalerie: Ai Weiwei Fans protestieren nackt

Als ausländische Journalistin hat sich Klayman nicht oft auf Konfrontationen mit chinesischen Behörden eingelassen. Aus Sorge um die Sicherheit ihrer chinesischen Begleiter sei sie bei einigen Besuchen von Polizeidienststellen lieber im Auto geblieben, auf Anraten von Weiweis Anwalt.

„Never Sorry“ ist auch Produkt einer Zusammenarbeit mit Ais Assistent Zhao, der bereits viele Dokus mit Ai produziert hat. Zhao hat einen kurzen Auftritt in „Never Sorry“. Er filmte mit, als Polizisten ihre Kameras auf Ai und seine Twitter-Fans richteten.

Auf dem Platz des Himmlischen Friedens hat der 30-jährige Zhao mit einer extrastarken Klebemasse einen Stolperstein befestigt. Er hat aus Holzresten von Ais Skulpturen Zahnstocher gebastelt und ein Stück Bleiblech von Anselm Kiefers großer Skulptur „Volkszählung“ aus dem Museum Hamburger Bahnhof in Berlin geklaut. Daraus hat er später eigene Euro-Münzen geprägt. Der Hamburger Bahnhof hat Zhao nicht angeklagt, sondern das Werk zurück gekauft.

„Weiwei ist ein Künstler in jeder Hinsicht seines Lebens“, so bezeichnet Zhao seinen Freund und Lehrer Ai. „Viele Menschen sehen Ai selbst als Kunstgegenstand. Sie haben Recht: Ai trennt sein persönliches Leben und seine Kunst nicht. Sein ganzes Leben ist fast wie eine Aufführung. Aber was er gemacht hat ist einfach eine Reaktion auf das Alltagsleben in China. Weiwei ist nur berühmter als normale Menschen.“

Die Autorin Jan Cao kommt aus China, studiert an der Brown-Universität in den USA und macht im Moment ein Praktikum beim Tagesspiegel.

Jan Cao

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false