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Gotteskriegerin, flieg. Faisal (Adeel Akhtar) trainierte die Krähe.

© Capelight

"Four Lions": Pakis im Paradies

Vier muslimische Briten gründen eine selbsternannte Terrorzelle und scheitern grandios. Der TV-Satiriker Christopher Morris und seine souveräne Film-Farce über Selbstmordattentäter.

Klar, das Thema ist nicht lustig. Ganz besonders unlustig ist es seit knapp zehn Jahren, als der Heilige Krieg im New Yorker World Trade Center einschlug. Seit der schrillen Fanfare, die dieses seltsame Katastrophenjahrhundert eröffnete, gehören Selbstmordanschläge zur Kakophonie des globalisierten Alltags, zuletzt wieder fast täglich in Afghanistan. Und die Menschheit, sie lebt mit dieser Überallangst, irgendwie.

Gerade weil aber das Thema so unverrückbar unlustig geblieben und so unvermeidlich alltäglich geworden ist, bedeutet es eine heftige Befreiung, darüber zu lachen. Schließlich wohnt jedem Schrecken schon deshalb Komik inne, weil er sonst nicht auszuhalten wäre. Also hat der britische TV-Satiriker Christopher Morris mit „Four Lions“ seinen ersten Kinofilm gemacht. Gerade so, als hätten die wiedervereinten Monty Python mit Sacha „Borat“ Cohen ein total abgedrehtes Drehbuch verfasst, und „M.A.S.H.“-Maniac Robert Altman hätte dazu seinen posthumoresken Segen gegeben.

Und das geht so: Omar, Hassan und Faisal, drei mitteljunge Briten mit „Paki“-Migrationshintergrund, bilden zusammen mit dem stämmigen Islam-Konvertiten Barry alias Azzam al-Britani eine selbsternannte Terrorzelle. Und weil die vier Löwen irgendwann eines Vierpfoters verlustig gehen, kommt als Ersatzmann der röhrende Revolutionsrapper Hassan hinzu. Ziel des Selbstmord-Quartetts: ein Blutbad beim London-Marathon.

Familienvater Omar (Riz Ahmed) ist, als Schnellsprecher und Schnelldenker, Chef im Ring. Sein Kumpel Waj (Kayvan Novak) denkt so langsam wie er formuliert, tut letzteres aber ultimativ zwerchfellerschütternd. Der dauerhochtourige Barry (Nigel Lindsay) will zwecks Radikalisierung der Moslems eine Moschee in Schutt und Asche legen, scheitert damit allerdings am hinhaltenden Einspruch seiner Glaubensbrüder. Bombenbastler Faisal (Adeel Akhtar) stattet derweil Krähen mit Sprengstoffwestchen aus, um sie eines Tages über Sexshops oder US-Botschaften fernzuzünden.

Richtig Schwung bekommt das Vorhaben allerdings nicht in erster Linie wegen Barrys Talent, zwecks Tarnung SIM-Karten oder auch Autoschlüssel zu verschlucken. Oder weil Waj bald Kaninchen messerscharf von Hühnern zu unterscheiden lernt. Sondern durch eine totale Pleite. Und Pleiten, totale zumal, so weiß der Gotteskrieger, hält man am besten geheim. Omar und Waj, von beinharten Mudschaheddin schon mal als „You fucking Mr. Beans“ bezeichnet, kehren vom mittelasiatischen Ausbildungslager als definitiv gotteskriegsuntauglich zurück. Logisch, dass Omar sich und Waj einen Auftrag für die Ewigkeit erfindet.

Klar, Klamauk. Und doch mehr. Und plötzlich nicht mehr. So wie echte Religionsfanatiker erst vor Wasserpistolenattacken in die Knie gehen, wird das Kommando Omar & Co. bald vom Entfaltungsbedürfnis seiner Sprengsätze überrascht. Immer witziger wird der Film, immer irrwitziger, immer irrer. Und verliert sein wildes, am Anfang kaum erkennbares Ziel plötzlich nicht mehr aus den Augen. Hallo, hat sich da wer totgelacht?

Es sind nicht die in ihrem Wirkungsgrad durchaus wechselhaften Scherze, an denen „Four Lions“ zeitweise ermüdet. Satire darf schließlich alles, und wenn sie 100 Minuten am Stück genial wäre, um so besser. Eher leidet die Inszenierung, anders etwa filmische Feuerwerkskörper im „Borat“-Stil, immer wieder an Ladehemmungen und Tempoverlusten, bevor sie sich erneut – die Schimpfszene mit Omar! Das Handyfoto von Waj! – zu verehrungswürdigsten Dumpfsinnspointen aufschwingt. Oder auch zu Telefondialogen wie diesem: „Bist du jetzt im Paradies, Bruder?“ – „Nein, ich bin hier in einem Café.“ Tja, dumm gelaufen.

Aus Pleiten und Pannen hat Christopher Morris seine Sketch-Parade gebastelt und sich dabei in jahrelanger Recherche auch bei der Realität bedient. Mohammed Atta, der Kopf von 9/11, soll den Juden die Schuld an den dünnen Toilettentüren gegeben haben, bloß weil die Kumpels über sein lautes Pinkeln spotteten. Oder das Boot voll mit Sprengstoff, das Terroristen unterm Hintern wegsinkt, bevor sie ein US-Kriegsschiff hochjagen können – alles Material, mit dem Morris den Film souverän aufzuladen versteht. Sein so lebenskrampflösendes wie lachkrampfförderndes Motto: „Terrorzellen haben dieselbe Gruppendynamik wie ein Herrenabend.“

Und die Story mit dem halbwüchsigen Selbstmordattentäter, dessen Sprengsatz nicht richtig zündete und der einen Arm verlor, statt im Himmel bei den Jungfrauen zu landen – und nun hat er Angst vor der Rache der Taliban? Passierte laut „Spiegel online“ so vor ein paar Tagen in Pakistan. Wie gesagt: nicht lustig.

Ab Donnerstag in neun Berliner Kinos

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