zum Hauptinhalt
Freiluftkino

© David Heerde

Freiluftkinos: Und über uns die Sterne

Strandliegen, Bier und Fledermäuse: Warum Kino im Freien am schönsten ist. Vier Tagesspiegel-Autoren stellen ihre liebsten Freiluft-Spielstätten vor.

Tief im Westen, irgendwo hinter Spandau, versinkt die Spätjulisonne. Etwas weiter östlich, über Moabit und Mitte, ist der Himmel noch blassblau. Die goldene Fortuna auf der Turmspitze von Schloss Charlottenburg strahlt im Abendlicht. Berlin wirkt hier erlesen, gradezu eppendorfesk und sehr international. Zwölf Biersorten hat der Getränkestand im Angebot, Berliner Weiße und Kindl, aber auch Heinecken (Holland), Corona (Mexiko) und Schöfferhofer Grapefruit (Hessen). Asiatische Touristen fotografieren einander vor dem Großen Kurfürsten. Majestätisch blickt der Landesherr über sie hinweg, vorbei auch an der Leinwand im Ehrenhof seines Barockschlosses.

Man sitzt auf blauweiß gestreiften Strandliegen. Wenn man sitzt. Denn bevor man sitzt, muss man seine Strandliege erst einmal aufbauen. „Wie geht das noch mal?“, fragt eine Seniorin. Sie klappt und biegt und dreht die Liege und verzweifelt fast. Und klagt: „Das sind so Loriot-Übungen.“ Zwei junge Frauen von den Nebenplätzen helfen. Dann steht die Liege, die Dame sitzt. Aus den Lautsprechertürmen singen Air mit retrofuturistisch verzerrter Vocoder-Stimme: „Kelly Watch The Stars.“ Aber als Viertel vor zehn der Film beginnt, sind die Sterne noch gar nicht aufgegangen. Der Himmel dunkelt schwarzblau, in der Ferne rauscht die Stadt, die neowilhelminischen Laternen am Spandauer Damm funzeln grünlichgelb.

Ein sanfter Wind kommt auf, das Heineken kühlt angenehm. Kurz vor Mitternacht ist der Film vorbei. Tiefschwarz und sternenklar ist der Himmel. Morgen wird es wohl wieder heiß werden. Superheiß. Christian Schröder

Open-Air-Kino Schloss Charlottenburg, Spandauer Damm 10, bis 1. August, täglich 21.30 Uhr, 8 €, Tel.: 01805-4470, www.openaircharlottenburg. de

Das Haus Schwarzenberg ist – direkt neben den Hackeschen Höfen – ein Kleinod, eine Art Open-Air-Museum der neunziger Jahre in Berlin. Die Fassaden bröckeln, Efeu rankt, und seltsame pneumatische Metallmonster der Künstlergruppe Dead Chickens quietschen, krachen, leuchten in der Dunkelheit. Seit letztem Jahr gibt es hier das Freiluftkino Mitte, organisiert von Klaus Kreiner, der auch das benachbarte Kino Central betreibt. 60 Plätze hat das Kino, man sitzt an Tischen, auf dem Sofa oder Bänken, Getränke kommen aus der Bar „Eschschloraque Rümpschrümp“, die Filme digital aus dem Beamer.

Das Freiluftkino hebt sich nicht nur durch den Ort von seinen großen Brüdern im Volkspark Friedrichshain oder in Kreuzberg ab. Kreiner muss keine Arena mit tausend Plätzen füllen, deshalb achtet er bei der Filmauswahl nicht so sehr auf den Massengeschmack und hat mehr Platz für Besonderes. Unter der Woche lädt das Kino zum Wiederentdecken ein, mit Antonionis „Blow Up“ oder „Leoparden küsst man nicht“ mit Cary Grant und Katherine Hepburn. Tipp von Kreiner: der deutsche Film „Supermarkt“ (5. August) aus dem Jahr 1973 von Roland Klick. Der Freitag ist für Freunde des Musikfilms reserviert, mit Klassikern wie dem Talking-Heads-Film „Stop Making Sense“ aus dem Jahr 1984 oder dem Porträt „Joe Strummer – The Future Is Unwritten“.

Wer Besuch aus Amerika hat und gerne mal zeigen will, worüber wir Deutschen lachen und weinen, für den ist der Sonntag perfekt. Das Kino zeigt dann deutsche Produktionen wie „Prinzessinnenbad“ und „Das Leben ist eine Baustelle“ – mit englischen Untertiteln. Moritz Gathmann

Freiluftkino Mitte, Rosenthaler Straße 39, bis 10. September, täglich 21.45 Uhr, ab 1. August 21.15 Uhr, 5 €. Tel.: 2859 9973, www.freiluftkino-mitte.de

Gerade ist wieder ein tödlicher Schuss auf der Leinwand gefallen, aus schallgedämpfter Pumpgun, da schiebt sich eine Polizeiautokolonne über die Potsdamer Straße. Mit Blaulicht, aber ohne Ton. Gespenstiges Treiben, ein Stummfilm fast. Und dahinter, ebenfalls fast lautlos, nur das leise Schnurren der Räder auf dem Asphalt, gleiten die Teilnehmer der Skaternacht vorbei, wie ein schneller, stiller Spuk. Großstadttreiben, während auf der Leinwand die unendliche Weite von Texas sich dehnt. Nicht immer passt der Film zur Stadt im Sommerkino am Kulturforum, das die Yorck-Gruppe mit Premieren („39,90“, „Alle Alle“, „Der Mond und andere Liebhaber“, „Selbstgespräche“), Lieblingsfilmen („Juno“, „Die Band von Nebenan“, „Into the Wild“) und Publikumsrennern der vergangenen Saison („Sex and the City“, „Keinohrhasen“, „Ratatouille“) bespielt. Die Hightech-Metropolis-Kulisse des lila leuchtenden SonyCenter scheint milchstraßenweit entfernt vom archaischen Wüstenland von „No Country For Old Men“, dem oscarprämierten Amerika-Abgesang der CoenBrüder. Doch die Zuschauer in den blauweißen Liegestühlen, tausend könnten es sein, vielleicht die Hälfte sind es an diesem Abend, sind still. So still wie die Nacht über Texas, in der kein Stern glüht am Himmel. Und die Nacht über Berlin ist mindestens so blau, und nur manchmal fliegen Fledermäuse durch den Lichtstrahl. Man meint, die Stadtwüste um sich zu spüren und das spärliche Gras auf dem Kulturforum rascheln zu hören, wenn der Sommerwind auffrischt. Manchmal, in diesen Ferienzeiten, ist Berlin wie Texas. Christina Tilmann

Sommerkino Kulturforum, Mattäikirchplatz 4/6, bis 10. August, täglich 21.45 Uhr, 7 Euro. Tel.: 2655 0277, www.yorck.de

Vor dem Vergnügen kommt der Kampf mit der Strandliege. Kichernd versuchen zwei dunkelhaarige Mädchen die Streben in die richtige Position zu bringen. Vergeblich: Das Probesitzen endet krachend auf dem Rasen. Schließlich kann ein vollbärtiger junger Mann, der am Bierstand wartet, es nicht mehr mit ansehen und gibt den beiden ein paar sachdienliche Tipps. Geschafft! Die beiden lehnen sich zurück und genießen die Feierabendstimmung im Freiluftkino Kreuzberg, das sich im Hof des Künstlerhaus Bethanien befindet. Es ist sehr gut gefüllt mit einem überwiegend deutschen Kreuzberger Ü-30-Publikum. Einige Raucher nutzen die Gelegenheit zum legalen Zigarettenkonsum, ein kleiner Hund rollt sich brav neben seinem Herrchen zusammen. Zum fast dörflichen Idyll trägt am Himmel auch noch der Große Bär bei.

Während der Werbung verlischt langsam das Tageslicht. Zwischen den Blättern der Bäume, die den Hof einrahmen, leuchten gelb die großen Fenster des Bethanien. Von der nahen Adalbertstraße ist nichts zu hören. Dafür kracht es jetzt auf der Leinwand: Denis Moschitto spielt „Chiko“, einen Hamburger Kleindealer mit großen Plänen. Gleich in den ersten zehn Minuten schreit und kloppt er los, dass sich die Balken biegen. Eine kleine Fledermaus flattert über dem Hof umher, eine zweite gesellt sich dazu. Doch nach wenigen Minuten verschwinden sie wieder. Wahrscheinlich hatten sie auf einen Vampirfilm gehofft.

Das Freiluftkino Kreuzberg, 1994 gegründet, ist eines der ältesten Open-AirKinos der Stadt und wird seit vier Jahren von einem neuen Team betrieben, das sowohl die Technik als auch das Programm verbessert hat. Das Bild auf der 15 mal 9 Meter großen Leinwand ist hervorragend, der Ton passabel. Jeden Tag läuft ein Film in Originalversion mit Untertiteln oder – wenn es ein deutsches Werk ist – mit englischen Untertiteln. Die sind bei „Chiko“ auch für Deutsche hilfreich: Hamburger Gangster nuscheln oft ganz schön. Nadine Lange

Freiluftkino Kreuzberg, Innenhof des Bethanien, täglich bis 31. August, 21.30 Uhr, ab 2.8. 21 Uhr, ab 20.8. 20.30 Uhr, 6 €, Tel.: 293 61628, www.freiluftkino-kreuzberg.de

Christina Tilmann

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false