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Kino: Hollywood als Kriegsverlierer

Das US-Kinopublikum ist offenbar kriegsmüde. Auch geballte Star-Power konnte die jüngsten Filme über Konflikte im Irak und in Afghanistan nicht vor dem Flop retten. Dennoch setzt Hollywood weiter auf das Thema.

Von Barbara Munker, dpa

Tom Cruise, Meryl Streep und Robert Redford: Auch diese Top-Besetzung hat dem Polit-Drama "Von Löwen und Lämmern" nicht die erhofften Zuschauerzahlen beschert. Der von Redford inszenierte Streifen, der brisante Fragen über den Krieg in Afghanistan, machthungrige Politiker und unkritischen Journalismus aufwirft, ist an den US-Kinokassen gefloppt. Seit Anfang November spielte der für 30 Millionen Dollar gedrehte Film nicht einmal die Hälfte seiner Kosten ein. Auch Tommy Lee Jones, Charlize Theron und Susan Sarandon konnten mit "In the Valley of Elah" das offenbar kriegsmüde US-Publikum nicht aufrütteln. Der Film von Oscar-Preisträger Paul Haggis ("L.A. Crash") erzählt die verzweifelte Suche eines US-Veteranen nach seinem Sohn, der kurz nach der Rückkehr aus dem Irak ermordet wird. Schlappe sieben Millionen Dollar flossen seit dem US-Start im September in die Kassen.

"Amerika will sich nicht mit dem Krieg befassen", beklagte sich unlängst der US-Soldat Jabbar Magruder in der Zeitung "San Francisco Chronicle". "Die Leute sind apathisch". Der 24-Jährige hatte elf Monate im Irak gekämpft. "Es trifft mich sehr, dass die US-Bürger sich für diese Filme nicht interessieren", pflichtet der Armee-Sanitäter Joe Wheeler bei. Nach einem Jahr im Irak leidet der 31-jährige Kalifornier jetzt unter posttraumatischem Stress. "Es passiert weit weg, es betrifft Andere. Das Letzte, was die Leute sehen wollen sind Filme über den Krieg", meint Wheeler. Gäbe es die allgemeine Wehrpflicht, wie zu Zeiten des Vietnamkrieges, dann wäre das Interesse an dem vor über vier Jahren begonnen Krieg bestimmt größer.

De Palma scheitert

"Mission: Impossible"-Regisseur Brian De Palma ist mit seinem bedrückenden Irakkriegs-Drama "Redacted" in den USA gescheitert. Hatte er im September in Venedig noch den Silbernen Löwen für die beste Regie erhalten, so bescherten die US-Kritiker seiner Doku-Fiktion über die Vergewaltigung und Ermordung einer 14-jährigen Irakerin durch US-Soldaten eher schlechte Noten. Entsprechend mager fiel der Kinostart Mitte November aus. De Palmas Hoffnung, "dass die Leute wieder auf die Straßen gehen wie in den 60er Jahren gegen den Vietnamkrieg", dürfte dadurch weiter getrübt werden.

Auch der politisch brisante Thriller "Machtlos" über die Verschleppung und Folter von Terrorverdächtigen durch die CIA in geheime Lager außerhalb der USA, war trotz Starbesetzung mit Jake Gyllenhaal und Reese Witherspoon ein Flop. Weniger als zehn Millionen Dollar spielte der spannend inszenierte Streifen ein. Der Action-Thriller "Operation: Kingdom" mit Jennifer Garner, Jason Bateman und Jamie Foxx als FBI-Ermittler nach einem blutigen Bombenanschlag in Saudi-Arabien, blieb ebenfalls hinter Hollywoods Erwartungen zurück. Das Einspiel von 47 Millionen Dollar machte bei weitem nicht die Drehkosten von 70 Millionen Dollar wett.

"Gefühlsmäßig noch nicht soweit"

Einer jüngsten Umfrage des Pew-Meinungsforschungsinstituts zufolge sind mindestens zwei Drittel der US-Bürger gegen den Krieg im Irak. 63 Prozent der Befragten gaben an, dass die Probleme der zurückkehrenden Soldaten in der Presse zu wenig Aufmerksamkeit erhielten und dass nicht genug über deren persönliche Erfahrungen berichtet werde. Doch für die Aufbereitung auf der Leinwand ist es möglicherweise noch zu früh. Viele Menschen seien gefühlsmäßig noch nicht soweit, den Krieg im Kino zu sehen, meint der Psychologe Joe Bobrow, der mit dem "Coming Home Project" in San Francisco Kriegsheimkehrer betreut. Filme über den Vietnamkrieg seien erst viele Jahre nach dem Abzug der US-Truppen aus Südostasien mit Erfolg gelaufen.

Der Antikriegsfilm "Coming Home" mit Jane Fonda und Jon Voight spielte 1978 über 30 Millionen Dollar ein. Ein Jahr später lieferte Francis Ford Coppola mit dem Vietnamdrama "Apocalypse Now" einen Treffer. Oliver Stones "Geboren am 4. Juli" mit Tom Cruise als querschnittsgelähmter Heimkehrer und Kriegsgegner brachte 1989 zwei Oscar-Trophäen und mehr als 70 Millionen Dollar ein. Erste Anzeichen für die neue Kriegsmüdigkeit der US-Zuschauer gab es vor einem Jahr, als Hollywoodstar Clint Eastwood mit "Letters From Iwo Jima" über die amerikanischen Invasion auf der japanischen Pazifikinsel im Jahr 1945 nur dreizehn Millionen Dollar einspielte.

Neue Kriegskost

In den kommenden Monaten wird den US-Bürgern, ob sie es wollen oder nicht, weitere Kriegskost serviert. Anfang Dezember startet das Familiendrama "Grace Is Gone" mit John Cusack als Kriegswitwer und Vater, dessen Ehefrau im Irak getötet wird. 2008 ist Ryan Phillippe als fahnenflüchtiger texanischer Soldat in "Stop Loss" auf der Leinwand zu sehen. "Wenn sich die Leute diese Filme anschauen würden, dann hätten sie keine Entschuldigung mehr, weiter untätig alles hinzunehmen", sagte Geoff Millard dem "Chronicle". Seit seiner Rückkehr aus dem Irak leitet der 26-Jährige den Verband "Irakveteranen gegen den Krieg".

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