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© dpa

Kino: Mut, Mädchen!

„Verdammnis“, der zweite Teil der Larsson-Trilogie, kommt ins Kino. Doch der wahre Krimi tobt woanders: Larssons Familie kämpft um die Rechte an den Bestseller-Trilogie.

Der wahre Krimi spielt im echten Leben. Es geht um Geld, viel Geld, es geht um geheime Manuskripte, es geht um eine Lebensgefährtin, der ihre Rechte vorenthalten werden, um falsche Freunde, die den Tod des posthum zu internationalem Ruhm gelangten Kollegen in Büchern und Exklusivinterviews weidlich ausschlachten, es geht um eine Familie, die die Familienliebe erst nach dem Tod des verstoßenen Familienmitglieds entdeckt. Kurz: Es geht um den 2004 im Alter von 50 Jahren verstorbenen schwedischen Krimiautor Stieg Larsson und die Frage, wem die Rechte – und die Millionen – aus seiner unvollendeten Millennium-Serie zustehen.

20 Millionen Mal verkauften sich seine Bücher in 41 Länder, die Verfilmung, deren zweiter Teil heute in die Kinos kommt, dürfte die Kassen noch einmal kräftig klingeln lassen. Gerüchte, nach denen sich Hollywood, vielleicht sogar Quentin Tarantino und Brad Pitt für die Geschichte um den Journalisten Karl Blomqvist und die Hackerin Lisbeth Salander interessieren, tun ihr Übriges.

Wie man mit Millionen auf dem Konto lebt, führt die Hauptfigur Lisbeth Salander gleich zu Beginn von „Verdammnis“ vor: Urlaub in der Karibik, eine Riesenwohnung in Stockholm ... Dass sie diese Millionen zuvor – das war die Story in Teil 1, „Verblendung“ – einem korrupten Geschäftsmann geklaut hat: geschenkt. Mit der Rechtmäßigkeit nehmen Stieg Larsson und seine renitente Hauptfigur es nicht so ernst. Da werden Computer gehackt, was das Zeug hält, es wird gestohlen und bedroht – nach dem Motto: Wenn die Welt schlecht ist, dann bin ich es auch. Dass Schwedens Justiz- und Regierungsapparat korrupt, kriminell und frauenfeindlich sind, ist die Grundannahme bei Stieg Larsson. Wo Geheimdienste, Undercover-Agenten und Polizisten ungestraft morden, vergewaltigen und misshandeln, ist das Recht Teil des Schweinesystems. Und Gerechtigkeit schafft man im Einzelkampf.

Von Stieg Larssons tiefschwarzem Schweden-Bild ist in Daniel Alfredsons wirkungsvoll verschlankter und solide auf TV-Ästhetik runtergedimmter Verfilmung nicht viel übrig geblieben. Nichts mehr von dem kriminellen Schlepperring, der Mädchen aus Osteuropa nach Schweden bringt und sie an hohe Regierungsbeamte vermittelt, nichts mehr von jenem Geheimzirkel im Innenministerium, der seit Jahrzehnten eigene Ziele verfolgt, auch nichts von einem Sozialsystem, das unbequeme Jugendliche wie Lisbeth in Kinderkliniken durch Psychologen missbraucht. Den Kampf, den Michael Blomqvist, seine Herausgeberin Erika und das Magazin „Millennium“ mit dem investigativ recherchierenden, bald deshalb auch ermordeten Journalisten Dag Svensson gegen Regierungs- und Polizeikreise aufnehmen, bildet nur noch die Kulisse, vor der allein eine Hauptperson steht: Lisbeth Salander.

Sie ist das Ereignis der Bücher und wohl der Grund für die suchtartige Gier, mit der die drei ziegelsteinstarken Millennium-Bände von Millionen von Lesern weltweit verschlungen werden. Sie ist, in der Interpretation der Newcomerin Noomi Rapace, auch das Ereignis der Filme. Eine verzweifelte Einzelkämpferin, eine Black Lady mit übermenschlichen Kräften und Fähigkeiten, ein Kind des 21. Jahrhunderts, das es mit der ganzen Männerwelt aufnimmt und am Ende selbst eine Kugel im Kopf überlebt.

Überlebt – und dann? So unvermittelt wie „Verdammnis“ beginnt, endet der Film mit Lisbeths Abtransport ins Krankenhaus. Wer die Bücher nicht kennt, dürfte ziemlich ratlos bleiben. Der zweite Teil ist nur Überleitung zum dritten, der zumindest einige Rätsel aus Lisbeths Kindheit klären wird. Der dritte Film ist abgedreht, die Geldmaschine läuft. Doch Larsson hatte seinen Plot auf zehn Bände angelegt, Teile des vierten soll seine Lebensgefährtin im Tresor verwahren. Der Krimi geht weiter.

In 14 Berliner Kinos, OmU im Babylon und Central

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