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Lederhose

© delphi-film

Kino: Pack die Lederhose ein

Kabarett am Küchentisch: "Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe", der neue Film von Leander Haußmann.

Die Liebe, das ist das Schöne an ihr, verwandelt alles. Allerkleinste Missgeschicke können zum Auslöser allergrößter Verwerfungen werden. Ein Tropfen Tomatenketchup zum Beispiel. Er kleckert aus dem Hotdog des Computerspielentwicklers Ole auf das Jackett seines Kollegen Robert, und weil in drei Stunden dieses wichtige Meeting mit den Chinesen ansteht, muss das Jackett sofort gereinigt werden. Was dazu führt, dass Robert in der nächstbesten Schnellreinigung plötzlich, getrennt nur durch den Tresen, der Inhaberin Monika gegenübersteht. Er blickt tief in ihre braunen Augen. Und schon ist es, wie es so schön heißt, um ihn geschehen. Kaum hat Robert sein Jackett abgegeben und die Tür hinter sich zugezogen, rennt er erst einmal gegen ein Straßenschild. Auf einem Transporter fährt eine venezianische Gondel vorbei. Und im Off singen Element Of Crime ein fröhlich schunkelndens Liebes-Shanty: „Ohne dich will ich nicht, mit dir kann ich nicht sein.“

Wir befinden uns in „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“, dem neuen Film von Leander Haußmann. Die Liebe ist ein Wunder, manchmal ist sie auch nur verwunderlich. Am meisten wundert sich Robert Zimmermann, den Tom Schilling als schnöseligen Charmebolzen spielt, wohl über sich selbst. Weil er 26 ist und sich in eine zwanzig Jahre ältere Frau verliebt, die erst einmal wenig von ihm wissen will.

Maruschka Detmers, gebürtige Niederländerin und vor einem Vierteljahrhundert von Godard als Hauptdarstellerin von „Vorname Carmen“ fürs Kino entdeckt, stattet die Angebetete mit spröder Erotik aus und spricht ihre Dialoge mit einem exotisch gerollten Akzent. Als Frau in schon reiferen Jahren und alleinerziehende Mutter eines heftig pubertierenden Sohns scheint sie mit der Liebe bereits abgeschlossen zu haben. Monika und Robert sind, wie Romeo und Julia, nur aus anderen Gründen, ein völlig unmögliches Paar. Genau deshalb, so will es der Gott des Kinos, müssen sie zueinander finden.

Robert Zimmermann heißt so, weil seine Eltern Bob-Dylan-Fans waren und ihm den bürgerlichen Namen des Idols gaben. „Seitdem schleppe ich diesen Rucksack mit mir herum“, sagt Robert gleich bei der ersten Begegnung zu Monika. Der Geist der sechziger Jahre schwebt von Anfang an über diesem Film. Haußmanns Mischung aus anarchischem Slapstick und hemmungsloser Romantik orientiert sich an Hippie-Komödien wie „Die Reifeprüfung“, „Alice’s Restaurant“ und „Harald und Maude“. Die Story nach einer Bestseller-Vorlage ist nicht so stark wie bei diesen Klassikern, aber Haußmann beherrscht die Kunst, Alltagssituationen – eine Geschäftsverhandlung im Konferenzsaal, das Abendessen im Kreis der Familie – ins Groteske eskalieren zu lassen.

Ein nächtliche Ausflug von Robert und Monika in den „Planten und Blomen“-Park – der Film spielt in Hamburg – endet in einer absurden Choreographie, bei dem eine „Hair“-artige Balletttruppe durch ein Wasserbassin tanzt. Vor Monikas Schnellreinigung hockt ein Althippie (gespielt vom Berliner Singer/Songwriter Roland Heinrich), der immer wieder – halb Diogenes, halb Möchtegern-Dylan – das Geschehen auf seiner Lagerfeuerklampfe kommentiert. Und in der schönsten Szene tritt kurz vor Ende sogar noch James Garfunkel auf, der Sohn von Art Garfunkel, der genauso aussieht wie sein Vater und genauso eine glockenhelle Stimme besitzt. Er singt „Life, I Love You“, Papas Hit, und rät Robert, seinen Eltern dankbar zu sein. Warum auch nicht?

In der „Reifeprüfung“ lässt sich Dustin Hoffman von Mrs. Robinson verführen, entscheidet sich schließlich aber für ihre Tochter. „Ein konventionelles Ende, ziemlich absehbar“, nörgelt Robert beim Trivial-Pursuit-Spieleabend. „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“ zeigt, wie weit sich die Geschlechterrollen inzwischen verschoben haben. Es ist eine Screwball-Komödie zum Thema Patchwork-Familie. Traditionelle Bindungen werden gekappt, die auftretenden Personen sind allesamt dabei, sich neu zu konfigurieren. Roberts Eltern (Adam Oest und Marlen Diekhoff) teilen ihren Kindern mit, dass sie sich trennen werden. Papa zwängt seinen Bierbauch in eine Lederhose, fährt wieder Motorrad und wird von seiner dreißig Jahren jüngeren Freundin „Bärchen“ genannt. Mama kontert mit einem niederdeutschen Literaten als Liebhaber, der „Kumm bi de Nacht“ aufsagen kann. Und Roberts Schwester (Annika Kuhl) stürzt in eine Beziehungskrise mit ihrer lesbischen Freundin, weil sie sich hat schwängern lassen.

„Vater ist Biker jetzt, Mutter noch schlimmer / Jeden Sonntag gibt’s Essen und einer weint immer / Da werden noch Nudeln in Schweiß und Tränen gegart / Und Vaters Neue ist jünger als ihr alle je wart“, fassen Element Of Crime das hormonelle Kuddelmuddel zusammen. Haußmanns Humor entgleitet gerne ins ohnsorgtheaterhafte Gekalauere, seine Stärke ist – wie schon in „Sonnenallee“, seinem immer noch bestem Film – das Kabarett am Küchentisch. Roberts Vater hat seinen Bungalow an eine Filmproduktionsfirma untervermietet, die dort ein Adenauer-Dokudrama dreht. Während die Familie im Esszimmer streitet, schmaucht nebenan im holzgetäfelten Wohnzimmer ein Ludwig-Erhard-Double dicke Zigarren und Herren mit Brillantinefrisuren sprechen Sätze wie: „Die Fähigkeit zu lieben – das ist doch, was uns von den Bolschewisten unterscheidet.“ Die beste Figur in dieser nußknackerartigen Nebendarstellerriege macht ein „Herr Friteur“, der mit hüstelnder Künstlerstimme die Regieanweisungen gibt. Gespielt wird der Film-im-Film-Regisseur von Leander Haußmann. Keiner hört auf sein Kommando.

Ab Donnerstag in zehn Berliner Kinos

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