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Kinostart: "Ganz nah bei dir"

Im Alltag wäre man über die Situation empört. Ein Mann beschimpft eine stolpernde Blinde: "Haben Sie keinen Hund?!" Im Kino ist das lustig: "Ganz nah bei dir" mit Katharina Schüttler.

Phillip (Bastian Trost), der verschrobene Held von „Ganz nah bei dir“, teilt sein Leben mit einer Schildkröte und seinem Psychiater – bis ihn der Zusammenprall mit der blinden Musikerin Lina (Katharina Schüttler) aus der Bahn wirft.

Die Komödie, die beim Max-OphülsFestival den Publikumspreis gewann, ist der zweite Spielfilm von Almut Getto. Wie in ihrem Debüt, dem gefeierten Drama „Fickende Fische“ (2002), erzählt sie von einer scheinbar unmöglichen Liebe. Während die lebenslustige Lina sich von ihrer Blindheit nicht einschränken lässt, hat sich Phillip in seinen Schildkrötenpanzer zurückgezogen: schweigsam und berührungsscheu. Keine ideale Voraussetzung, um mit einer Blinden zu kommunizieren. Natürlich ringt Phillip damit, über seinen Schatten zu springen und stößt Lina dabei immer wieder vor den Kopf. Bis ihm schließlich die Drähte durchbrennen. In einem Befreiungsschlag klaut er aus der Bank, in der er arbeitet, 60 000 Euro. Dabei weiß er mit dem Geld gar nichts anzufangen.

Das Happy End ist absehbar, packend sind vor allem die Darsteller. Katharina Schüttler (zuletzt als eiskalte Tochter in „Es kommt der Tag“) bezaubert als sensible Blinde, die trotz ihrer Stärke zerbrechlich wirkt. Bastian Trost („Schläfer“) verkörpert die Figur des tragischen Clowns, der innerlich einsam, doch unfreiwillig komisch ist, glaubhaft und herzerwärmend. Glanzpunkte sind die Situationen, in denen Phillip seine soziale Begriffsstutzigkeit gegenüber der Blinden unter Beweis stellt: Einmal überwindet er sich und zeigt Lina, als erstem Publikum überhaupt, begeistert seine Pantomime.

Phillips Grobheiten bergen nicht nur komisches Potenzial, sondern werfen auch Fragen nach dem „korrekten“ Umgang mit Blinden auf. Phillip behandelt Lina eigentlich so, wie sie es sich wünscht: normal. „Ganz nah bei dir“ ist keine bedrückende Reflexion über selbst verschuldete Einsamkeit, kein Moralisieren über den Umgang mit Blinden, sondern eine kurzweilig-komische Liebesgeschichte. Man lacht – und denkt trotzdem nach.

Cinemaxx Potsdamer Platz, Hackesche Höfe, Kino in der Kulturbrauerei, Neue Kant Kinos

Jenny Becker

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