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Das Festivalplakat. Mit Faye Dunaway, fotografiert von Jerry Schatzberg.

© Festival

Filmfestival Cannes: Panda, Papa, Panahi

Wie jedes Jahr haben sich wieder viele Stars zum Filmfestival in Cannes angekündigt. Im Mittelpunkt stehen vom 11. bis 22. Mai aber natürlich die hochkarätigen Kino-Premieren. Eine Vorschau - mit vielen Bildern.

Cannes ist Frühling, Sonne, Gaudi, Stars. Der Filmkritiker sitzt tags auf der Carlton-Terrasse, interviewt Penelope Cruz und Johnny Depp, während die livrierten Kellner Gangsta's Paradise und Sex on the Beach servieren. Nachts hastet er von Party zu Party - von der Millionärsvilla hoch über der Côte zur Hochseeyacht vor der Insel Sainte-Marguerite, bis die Sonne längt aufgegangen ist hinter Antibes. Und natürlich verschläft er dann wieder den Film, der nachher die Goldene Palme kriegt.

Dass die Wirklichkeit anders aussieht: tausendmal geschrieben, und tausendmal geradewegs in den Wind. Dass die Vorfreude auf dieses Festival, ja!, im Frühling und ja!, im Süden vor allem deshalb unkaputtbar bleibt, weil der Filmkritiker dort von früh bis spät immer wieder die besten Filme der Welt sieht: Es glaubt einem ja keiner. Dass man am drittletzten Tag beim 8.30-Uhr-Film während des Vorspanns leicht schwächelt, weil man gestern nach der Spätvorstellung ausnahmsweise nicht rechtzeitig ins Bett gekommen ist und trotzdem für ein Meisterwerk sofort hellwach: Auch das allerseits abgeheftet als bloße Legende. Und doch: Es ist die Wahrheit des Filmkritikers in den keineswegs immer bequemen Kinosesseln von Cannes, die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit.

Dieses Jahr hat die Vorfreude noch einmal gewonnen - dadurch, dass Jafar Panahi und Mohammad Rasoulof trotz Berufsverbots und drohender Haft im Iran ihre neuesten Filme nach Cannes schmuggeln konnten, per USB-Stick und per DVD (Tsp. vom 8. Mai). Und sie verbindet sich mit der Hoffnung, dass das Festival recht behält, wenn es auf seine "beschützende Funktion" setzt und die "Brüderlichkeit der Filmwelt" für alle politisch drangsalierten Künstler beschwört. Denn diese unter extrem bedrängten Umständen gedrehten Filme in Cannes zu sehen, als Lebenszeichen unerschrockener Kreativität, bedeutet, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Eröffnet wird mit Leichtem: "Midnight in Paris", mit Owen Wilson, Marion Cotillard und vielen anderen mehr. Kann Cannes zum Start etwas Besseres widerfahren als die Liebeserklärung einen Regie-Superstars an Frankreich, so gallig-garstig sie - man weiß ja nie bei Woody Allen - auch ausfallen mag? Da darf das Land derzeit ruhig ein bisschen damit hadern, dass Carla Bruni-Sarkozy, die in dem Film eine kleine Rolle spielt, nun wohl doch auf den berühmten rotgepolsterten Stufen zum Festivalpalais fehlt. Stattdessen kann es sich auf Sarkozy freuen, dessen Weg zur Macht in Xavier Dullingers "La conquête" von Denis Podalydès gespielt wird - nunja, glamourmäßig ein schwacher Trost, aber immerhin ein Aufstieg im Protokoll.

Dafür fliegen Angelina Jolie und Dustin Hoffman in Cannes ein und werben für "Kung Fu Panda 2", obwohl der nicht mal in einer Nebenreihe läuft. Und auch Jean-Paul Belmondo ist endlich mal dabei - und kriegt für seinen Auftritt auf den Stufen gleich einen Gala-Abend spendiert. Echte Wettbewerbsfilmgäste dagegen sind etwa Antonio Banderas (mit "La piel que habito", dem neuen Almodóvar) und Kirsten Dunst, Charlotte Rampling und Charlotte Gainsbourg: Sie feiern mit Lars von Trier, der wegen seiner Flugangst womöglich wieder mal per Wohnmobil anreist, die Premiere von "Melancholia". Nur: Darf man sich auf einen Film freuen, in dem ein Planet namens Melancholia auf die Erde zurast, noch dazu ausgedacht von Lars von Trier, der zuletzt die Welt mit "Antichrist" schockte? Keine Frage: Man muss!

Eine launische Flaneurin ist die Vorfreude, und so hält sie sich bei dem neuen Papstfilm "Habemus Papam" von Nanni Moretti nicht so lange auf, zumal der längst in Italien angelaufen ist. Und sie zeigt sich auch bei "The Tree of Life" leicht ermattet - weil das neue Meisterwerk, was sonst, von Terrence Malick bereits vor einem Jahr für Cannes angekündigt war. Dafür stürzt sie sich auf einen anderen Trier, aus Norwegen und mit Vornamen Joachim, weil sein auch schon wieder fünf Jahre altes Debüt "Auf Anfang: Reprise" so zauberhaft staubabweisend im Gedächtnis haftet. Diesmal zeigt Joachim Trier "Oslo, 31. August" - nur in einer Nebenreihe, aber Hauptsache, er ist da.

Maiwenn,die Schwester von Isild Le Besco, hat "Polisse" im Wettbewerb, und Aki Kaurismäki mit "Le Havre" einen Film, der wieder mal in Frankreich spielt. Takashi Miike ("Harakiri") und Nicolas Winding Refn ("Drive") bringen sicher wilde Bilder mit, und Österreich ist ganz aus dem Häuschen, weil das Regie-Debüt des Casting-Directors Markus Schleinzer geradewegs im Wettbewerb gelandet ist, was die Erwartungen auf Atemberaubendes nahezu ins Luftknappe hinaufschraubt. Und sogar Freunde des gepflegten Erotikfilms, der sich fraglos als hohe Filmkunst entpuppt, werden im Wettbewerb bedacht: Bertrand Bonellos "L'Apollonide" spielt in einem Bordell der vorvergangenen Jahrhundertwende, und die Australierin Julia Leigh hat sich in "Sleeping Beauty" offenbar eine besonders schlüpfrige Männerfantasie ausgedacht.

Da sitzt dann der Filmkritiker in der Pressevorführung im Festivalkino Bazin oder Lumière, den Notizblock auf den Knien, und sinniert: So oder so ähnlich läuft das ganz bestimmt auch nebenan in Cannes, nachts am Pool der ummauerten Villen hoch am Hang. Und auf den Luxusyachten morgens um fünf.

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