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Regie-Legende: Gefühl siegt

Gesellschaft gegen Gefühl: Aus dieser Spannung baute er die Filme seiner besten Zeit. Der französische Regisseur Jean Delannoy ist tot

Zuletzt kehrte er, da war er schon hoch in den Achtzigern, mit der Ode an „Marie de Nazareth“, die Mutter Jesu, auf die Leinwand zurück – in Frankreich, und nur dort. Seine kreativste Zeit als Regisseur war freilich damals schon ein halbes Jahrhundert her, und sie währte nicht sehr lange, von der Besatzungszeit bis Mitte der fünfziger Jahre.

Ihr Ende markiert, mit „Der Glöckner von Notre-Dame“ (1956), zugleich seinen größten Erfolg: Jean Delannoys Blick auf den schaurig-schönen Victor-Hugo-Roman um den buckligen Quasimodo, der aus Liebe zu einer Zigeunerin zum Mörder wird, ist, mit Anthony Quinn und Gina Lollobrigida, längst ein Klassiker. Bald aber fegte die Nouvelle Vague auch Delannoy davon, der auskömmliche Nischen in Historienepen und im Melodram suchte. Und im Krimi: Jean Gabin, zweimal sein Kommissar Maigret, wurde zu Delannoys Lieblingsschauspieler.

Maßlos aber war, dass die jungen Wilden des französischen Kinos Delannoy als gefühlskalt schmähten – schließlich zeichneten sich die Arbeiten des sorgfältigen Regiehandwerkers durch viel Lust an der Psychologie aus. Und an der tragischen Liebe: In „Der ewige Bann“ (1943) erfand er Tristan und Isolde neu für die Gegenwart, in „Und es ward Licht“ (1946) zerbrach Michèle Morgan als blindes Mädchen an einer doppelten Passion, und in „Das Spiel ist aus“ (1947) können, streng nach Sartre, eine Dame von Welt und ein Revolutionär, obzwar zur Liebe verurteilt, zueinander nicht finden.

Gesellschaft gegen Gefühl: Aus dieser Spannung baute der Regisseur, der in seiner Jugend als Schauspieler arbeitete, die Filme seiner besten Zeit – und ließ in der Tiefe die Gefühle siegen. Am Mittwoch ist Jean Delannoy, 100 Jahre alt, in Guainville bei Paris gestorben. jal

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