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Filmische Liebeserklärung: Rudolf Thomes "Pink" – mit Hannah Herzsprung

Zu einem gelungenen Liebesfilm gehört mehr als nur ein Paar, das sich tief in die Augen blickt. Der Zuschauer muss auch die Liebe derjenigen spüren, die hinter der Kamera stehen. Sie ist in Rudolf Thomes Film „Pink“ allgegenwärtig.

Ob die Dichterin Pink im roten T-Shirt vor einem blauen Hintergrund sitzt oder im lilafarbenen T-Shirt vor giftgrünem Hintergrund: Bei jeder Gelegenheit spielt Thome mit Farben, und die präzise Lichtsetzung seiner Kamerafrau Ute Freund sorgt dafür, dass die Farben miteinander harmonieren. Liebe spricht auch aus der Musik von Katia Tchemberdji, die den Geist der sechziger Jahre atmet. Sie klingt nach Nouvelle Vague, nach Georges Delerue vielleicht; etwas schief und jazzig, aber doch melodisch. Es gibt sogar ein Leitmotiv für die Hauptfigur.

Für sie hat Thome eine neue Muse gefunden: Hannah Herzsprung liebt die Kamera, und die Kamera liebt sie. Sie ist das seltene Beispiel einer Schauspielerin, die es sich leisten kann, narzisstisch zu sein. Liebe, wohin man schaut – wie schön wäre es, wenn es auch zwischen Pink und ihren drei Verehrern funken würde. Guntram Brattia ist der Geschäftsmann Carlo, ein auf den ersten Blick kalter Mann, der bald sanfte und depressive Züge offenbart. Florian Panzner spielt den Verleger Georg, einen StandardTraummann mit Siegerlächeln, dessen erster Auftritt nicht zufällig in einem Schuhgeschäft stattfindet. Thome mag Männer wie ihn nicht; das wird deutlich, wenn er Georg eine Kokainparty mit vier Prostituierten feiern lässt. Hier wird der französischste unter den deutschen Regisseuren plötzlich prüde. Der dritte Bewerber ist Cornelius Schwalm als Balthazar, ein liebenswert-trotteliger Ökobauer, der hobbydichtet (grottenschlecht) und singt (noch schlechter) und „irgendwie“ reich geworden ist. Man erfährt nie, wie Pink diese Männer kennengelernt hat. Nichts gegen Auslassungen. Aber in diesem Fall kann man sich die erste Begegnung nicht einmal vorstellen.

Thomes Ehrfurcht vor Frauen ist spürbar, allerdings auf Kosten der Glaubwürdigkeit. Er deutet auf ein paar Abgründe, die er nicht näher erforschen möchte. Pinks verstorbener Vater spielt eine wichtige, leider ungeklärte Rolle. Endlich besucht sie eine Psychoanalytikerin, doch die Analyse interessiert Thome nicht. Für ihn ist die Episode nur Vorwand, Pink mit einem lesbischen Abenteuer zu versehen.

Pink braucht keinen Mann, schon gar nicht aus finanziellen Gründen. Als Dichterin ist sie erfolgreich. Ihre Lesungen, die sie mit Gisela-Elsner-Perücke abhält, werden von Bravorufen begleitet. Die erste Kostprobe ihrer Dichtkunst lautet: „Ich werde schreiben bis ich tot bin.“ Das nimmt man ihr nicht ab, dazu wirkt sie zu wenig besessen. Manchmal stammelt sie auch nur: „Kopf ... leer ... Zorn.“

Auf ein Gedicht ist Thome sogar so stolz, dass er es zweimal wiederholen lässt: „Heute ist Vollmond / Heute bin ich eine Wölfin / und heule den Mond an.“ Und findet doch dafür keine entsprechenden Bilder. Eine zornige Dichterin, die heult und beißt: Thome kokettiert mit dem Exzess, und Hannah Herzsprung könnte ihm Ausdruck verleihen. Aber für den Regisseur ist Liebe gleichbedeutend mit Harmonie. Solange er sich damit begnügt, ist er ein Meister. Frank Noack

Babylon Mitte, Kurbel, Lichtblick-Kino, Moviemento

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