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Noch ist das Idyll vollkommen: Franz (August Diehl) und Fani (Valerie Pachner) als Ehepaar Jägerstätter auf ihrem Bergbauernhof.

© Pandora

Kinodrama über NS-Widerständler: „Ein verborgenes Leben“ zeigt das Heldentum eines einfachen Mannes

Regisseur Terrence Malick verneigt sich mit seinem Kinodrama vor dem österreichischen Bauern Franz Jägerstätter, der lieber starb, als den Nazis zu dienen.

Von Andreas Busche

In den Filmen von Terrence Malick geht der Blick oft Richtung Himmel. Als suchten seine Protagonisten dort eine Antwort auf ihre irdischen Nöte. Die Aufsicht ist zum Markenzeichen geworden, genauso wie die fluiden, multiperspektivisch ineinander geschnittenen Kamerabewegungen, in denen kein eindeutiges erzählerisches Subjekt mehr auszumachen ist. Die körperlosen Stimmen von Malicks Protagonisten scheinen über den Bildern zu schweben, eins geworden mit der Natur.

In „Ein verborgenes Leben“ hält auch der Himmel keine Antworten mehr bereit. Über dem Alphof der Familie Jägerstätter ist das Donnern von Düsentriebwerken zu hören, die Vorankündigung des Todes in der Bergidylle. Alle Filme Malicks handeln von einem verlorenen Paradies: der Pazifik-Kriegsfilm „Der schmale Grat“, mit dem der Regie-Eremit 1998 nach zwanzig Jahren Funkstille sein Comeback feierte, das Siedlerepos „The New World“, das autobiografische Familiendrama „The Tree of Life“.

Der Regisseur nennt das Bergdorf einen „Garten Eden“

Der öffentlichkeitsscheue Malick hat das bukolische Bergdorf St. Radegund als „Garten Eden“ bezeichnet, er beschreibt damit eine ökologische wie religiöse Sensibilität. Ein göttliches Licht bricht sich in Baumwipfeln und den glitzernden Oberflächen des Gebirgsbachs. Franz und Fani Jägerstätter beackern mit ihren Händen Gottes Boden, während ihre drei Töchter im Feld toben. Doch die deutschen Kampfjäger bringen die Realität des Krieges ein Stück näher, lassen die Hoffnung auf Erlösung schwinden.

„Was passiert mit unserem Land?“, fragt Franz aus dem Off, als er im Kasernenhof vor einer Haubitze steht. 1939 wird Österreich ins Deutsche Reich eingegliedert, vier Jahre später fordert der Krieg neues Kanonenfutter. Die Bauern werden einberufen, der Bürgermeister, die Gesichtszüge zur Fratze verzerrt, redet sich am Dorfstammtisch in Rage: „Eine neue Zeit beginnt!“ Franz steht der Szene außen vor, die gewölbte Weitwinkelperspektive im extremen Close-up (von Kameramann Jörg Widmer) verstärkt die räumliche Distanz zwischen ihm und den Dörflern im Hintergrund noch. „Wir haben uns an die Verbrechen gewöhnt,“ flüstert Franz, „ohne Scham.“

Jägerstätter wurde als „Wehrkraftzersetzer“ hingerichtet

Franz Jägerstätter, auf dessen Briefwechseln der Film basiert, ist die perfekte Malick-Figur: ein einfacher Mann im Einklang mit der Natur, ausgestattet mit einem untrüglichen moralischen Kompass. August Diehl spielt ihn mit der Bressonschen Teilnahmslosigkeit eines Gläubigen, der bei aller Unbill um sein Seelenheil weiß. Der echte Jägerstätter weigerte sich 1943, Hitler den Eid zu leisten. Als „Wehrkraftzersetzer“ wurde er nach kurzer Haft in Tegel hingerichtet.

Jägerstätter wollte niemanden von der Rechtschaffenheit seines Handelns überzeugen. „Wir sind verantwortlich für unser Tun“, sagt er zum Pfarrer (Tobias Moretti), als der ihn fragt, ob er sich den Konsequenzen seiner Entscheidung – seinem Todesurteil, dem Ausschluss von Frau und Kindern aus der Dorfgemeinschaft – bewusst sei. Franz verteidigt seinen freien Willen, um jeden Preis. „Wir müssen uns dem Bösen entgegenstellen.“

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Terrence Malick hat mit seinen jüngsten Filmen – „To the Wonder“ (2012), „Knight of Cups“ (2015) – selbst treueste Fans auf eine harte Probe gestellt. Das säuselnde Voiceover von an der Welt verzweifelnden Männern, die frömmelnde Esoterik seiner Naturexkursionen, die innere Aussprache mit einer höheren Instanz, die Auflösung narrativer Strukturen: Der Regisseur schien sich mit seinem stilistischen Obskurantismus in eine künstlerische Sackgasse manövriert zu haben.

Eine Gewissensfrage von Leben und Tod

In Franz Jägerstätter hat Malick eine Figur gefunden, die seine Themen wieder in einer irdischen Erfahrung grundiert, die dem Leiden am Dasein tatsächlich eine existenzielle Fallhöhe gibt. Die Gewissensfrage „Was, wenn unsere Führer böse sind?" war für Franz zugleich eine Frage von Leben und Tod. Der Blick nach oben ist auch in „Ein verborgenes Leben“ konstitutiv. „Herr, gib mir Kraft!“ bittet Franz im Zwiegespräch mit seinem Gott. Auf das Angebot des Pflichtverteidigers (Alexander Fehling), er müsse ja nur die Widerrufserklärung unterzeichnen und wäre frei, entgegnet er: „Ich bin frei.“ Die Gefangenschaft verleiht spirituelle Kraft. Franz reckt sich den Sonnenstrahlen entgegen, die durch das kleine Fenster in seine Zelle fallen; oder durch das Oberlicht in den Gefängnistrakt, wenn die Aufseher ihn zusammenschlagen. „Wenn Du aufhörst, um jeden Preis leben zu wollen“, schreibt er an Fani, „strömt neues Licht hinein.“ Die ihm Gewalt antun sind die wahren Schwachen. Fani antwortet: „Vertrau dem Triumph des Guten!“ Auch Valerie Pachner, keine dieser ätherischen Malick-Frauen, besitzt eine widerständige Anmut, doch ihr Spiel ist körperlicher als das Diehls – wenn sie ihre Kinder gegen die Anfeindungen der Nachbarn mit bloßen Händen verteidigt.

Malicks Pathos ist keine Heldenverklärung

Malicks Pathos ist überwältigend, aber nicht die Heldenverklärung macht „Ein verborgenes Leben“ so ergreifend. Jägerstätter ist kein Held, kein Widerstandskämpfer wie die Geschwister Scholl, Georg Elser, Stauffenberg oder Bonhoeffer. Politik liegt ihm – wie Malick – fern. Franz muss sich nur gegenüber der einzig wahren Instanz rechtfertigen. „Verurteilen Sie mich?“, fragt ihn der Richter (Bruno Ganz in seiner allerletzten Rolle), der über Franz’ Schicksal zu entscheiden hat. Der zuckt mit den Schultern: „Ich bin nicht allwissend. Aber ich kann nicht tun, was ich für falsch halte.“

Der Eremit des Kino: Regisseur Terrence Malick während der Dreharbeiten.
Der Eremit des Kino: Regisseur Terrence Malick während der Dreharbeiten.

© Pandora

Es macht Malicks kontemplative Inszenierung so klarsichtig, fast transzendent, dass „Ein verborgenes Leben“ keine politische Agenda verfolgt. Etwa die Rehabilitation des guten Deutschen (beziehungsweise Österreichers). Der echte Franz Jägerstätter wollte nicht den Märtyrertod sterben, wie ihm seine Ankläger im Film unterstellen. Seine Biografie war selbst in Österreich lange unbekannt, erst 2007 wurde er von Papst Benedikt selig gesprochen.

Franz fühlt sich nicht der Geschichte verantwortlich, nur seinem Gewissen. Den Titel seines Films hat Malick von der britischen Autorin George Eliot geborgt: „Dass es den Menschen nicht so schlecht geht, verdanken wir zur Hälfte den zahlreichen Menschen, die voll gläubigen Vertrauens ein Leben im Verborgenen geführt haben, und in Gräbern ruhen, die kein Mensch besucht.“ Franz’ Spiritualität macht seinen Tod so heroisch.

Der assoziative Bilderfluss hat etwas Meditatives

Obwohl „Ein verborgenes Leben“ im Vergleich mit Malicks letzten Filmen stärker von einer äußeren Handlung motiviert ist, hat sein assoziativer Bilderfluss zwischen Naturimpressionen und karger Gefängniszelle, zwischen der Liebe, die die Familie spendet, und den Erniedrigungen im Gefängnishof etwas Meditatives: Es geht um Fragen, auf die ihm auch die Kirche keine Antwort geben kann. Beim Bischof sucht Franz in seinem inneren Konflikt um Rat, aber der Geistliche schickt ihn mit einem Spruch aus dem Römer-Brief zurück nach St. Radegund: „Wer sich der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Ordnung.“

Franz’ Dialog mit dem Restaurator der Dorfkirche kommt hier eine Schlüsselfunktion zu. Der alte Mann bessert die religiösen Deckenfresken aus, gibt ihnen einen frischen Anstrich. „Ich helfe den Leuten aufzublicken und zu träumen“, erklärt er seine Arbeit. Die Menschen würden aufsehen und sich in die Zeit von Christus zurückversetzt fühlen. „Sie bilden sich ein, sie hätten damals anders als seine Zeitgenossen gehandelt.“ Der dünne Firnis der Deckengemälde verhüllt nur notdürftig die bittere Wahrheit, die Schwäche des Menschen. Aber der moderne Freskenmaler Terrence Malick würde wohl keine Filme mehr machen, wenn er nicht auch an das Gute im Menschen glaubte.
Ab Donnerstag in den Kinos

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