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Kultur: Klar & wahr

„Traumfabrik Kabul“ von Sebastian Heidinger.

Die Frau steckt in wunderschönen, roten und grünen Kleidern – eine bunte Blume in der staubigen afghanischen Landschaft. Plötzlich ruft ein Mädchen sie um Hilfe, das von einer Gruppe von Männern verfolgt und bedroht wird. Auch die Männer sind grau, in ihren farblosen, abgetragenen Burnussen. Und dass die Frau das Mädchen vor ihnen schützt, gefällt ihnen gar nicht.

Dann, unerwartet, gibt die Frau einem der Männer eine schallende Ohrfeige. Ein wilder Kampf geht los, und bald liegen die Dreckskerle im Staub. So. Die machen jetzt keine Schwierigkeiten mehr. Aber wer ist denn diese Frau? Offensichtlich eine Art Kung-Fu-Meisterin, wie Uma Thurman in „Kill Bill“.

Aber das hier ist nicht Hollywood. Es ist Kabul, Afghanistan. Die Szene stammt aus einem Film von Saba Sahar. Über diese afghanische Regisseurin hat der Deutsche Sebastian Heidinger seinen dritten Dokumentarfilm gedreht: „Traumfabrik Kabul“. Er führte also die Regie eines Filmes über eine Regisseurin. Eine beeindruckende Frau, diese Saba Sahar, in Afghanistan die Ausnahme von der Regel. Mit ihrer kleinen Produktionsfirma macht Sahar Filme, die Frauen lehren sollen, dass sie keine Opfer sind. Sondern stark. Und Saba Sahar weiß, wovon sie redet, sie ist nicht nur Regisseurin und Schauspielerin, sondern auch Polizistin. Eine echte Superfrau also.

Ihre Filme sind lustig, pädagogisch, ermutigend. Und haben ein Ziel: die Befreiung der Frau. Wo Heidinger mit seinem Film hin will, bleibt aber unklar. Er schneidet zwischen dem eigenen Material und Bildern aus Sahars Filmen hin und her – und zeigt damit doch bloß, wie weit der afghanische Alltag von ihren heroischen Wunschträumen entfernt ist.

Was treibt dann aber diese Frau? Das ist nicht einfach zu verstehen, denn Saba Sahar will zwar gesehen, aber nicht durchschaut werden. Viel versteckt sie hinter ihren dicken Make-up-Schichten. Oft ist sie im Auto unterwegs, reist mit einem mobilen Kino durchs Land. Ihr Mann fährt, er bedient auch die Kamera, er macht alles, was sie will. Überhaupt tun alle, was sie sagt, egal ob man gerade dreht oder nicht. Saba Sahar spielt die Regisseurin über sich selbst und über andere. Das können nicht viele afghanische Frauen über sich selbst sagen.

Einmal weint sie ein bisschen im Auto. Sie sagt, sie sei so kriegsmüde. Und ja, sie strahlt neben der Hartnäckigkeit auch eine unendliche Erschöpfung aus. Noch einmal weint sie, als sie die Ohnmacht afghanischer Frauen beklagt. Aber dann: „Cut!“ Das war nur für die Kamera. Sie ist Schauspielerin, selbst ihre Tränen kommen auf Befehl.

Erhellender ist eine Szene am Schluss. Mit ihrer kleinen Tochter sitzt Sahar an einem Fluss, als ein etwa zehnjähriges Mädchen ihr Joghurt zu verkaufen versucht. „Gehst du in die Schule?“, fragt Sahar sie freundlich und locker. Endlich lässt sie ihre Maske fallen, endlich führt sie nicht länger Regie. Wir sehen eine Frau, die die afghanischen Frauen befreien will, weil sie die Mädchen wie ihre eigenen Töchter liebt. Und eine Frau, die in diesem Befreiungsziel auch auf andere Weise gefangen ist.

Hier hätte ein schöner Film anfangen können – hätte nur Heidinger Regie geführt. Aber ihre Rolle als Superfrau wollte Saba Sahar offensichtlich nicht aus der Hand geben.

Sputnik Südstern (am Freitag, 19 Uhr, mit Saba Sahar), Kino Zukunft

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