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Kultur: Klein ist groß

Huby, Henkel & Co. stellen in Berlin das „Davidprinzip“ vor

Manche Bücher ähneln einem Porsche, den sein Besitzer nur benutzt, um zum Tante-Emma-Laden zu fahren. Die Gören an der Ecke bekommen große Augen, ihre Papis rümpfen die Nase beim Kriechtempo und träumen von Vollgas. Diesem Porschefahrer ist das egal, er fährt sonst nie Auto und lieber mit der Bahn, nur eben für die Fahrt zum Tante-Emma-Laden holt er seinen 911 aus der Garage. Verschrobenheit? Luxus? Man kann darin auch Erhabenheit sehen.

„Das Davidprinzip“ ist so ein Buch. Gestern wurde es in einer Matinee im Berliner Ensemble vorgestellt. Nur auf den allerersten Blick sieht es wie eines jener Manager-Bücher aus, mit dem ein CEO die Geschichte seines Erfolgs verewigt wissen will. Aber Wendelin Wiedeking, der legendäre Vorstandsvorsitzende der Porsche AG, der das Unternehmen aus den roten Zahlen herausholte und zu einem der profitabelsten der Branche machte, ist nicht nur irgendein erfolgreicher Manager. Er förderte auch erlesene Kulturprojekte, und das Buch, das Mitarbeiter und Freunde ihm zu seinem 50. Geburtstag gewidmet haben, versammelt Originalbeiträge aus Politik, Wirtschaft und Kultur, die alle um das „Davidprinzip" kreisen. Das ist jenes Prinzip, mit dem Wiedeking nicht nur die Erfolgsgeschichte von Porsche beschreiben will, sondern das er auch der Ökonomie von Geld und Geist zu Zeiten der Globalisierung empfiehlt: David und Goliath beweisen, dass sich die Kleinen gegen die Großen durchsetzen können, wenn sie sich auf ihre eigenen Formen von Intelligenz besinnen und sie nicht auf-Teufel-komm-raus wachsen wollen, sondern auf Nachhaltigkeit setzen.

Im „Davidprinzip“ schreiben Große über ihre ehemalige Kleinheit, über den David im Goliath und den Goliath im David. Das sind keine Tellerwäschergeschichten, sondern Reflexionen über das Zusammenspiel von Kleinheit und Größe. Fast alle Texte sind engagiert und liebenswert individuell geschrieben (ob der von Steffi Graf, der vom SC Freiburg-Trainer Volker Finke oder der von Schreib-Profi Hans Magnus Enzensberger): Hier wurde nicht für Geld wahllos Geist eingekauft, sondern Geist und Geld werden in ein produktives Verhältnis gesetzt.

Man lese und staune: Bundeskanzler Schröder (oder sein exzellenter Ghostwriter) ist in seinem jargonfreien Text über die Dialektik von Macht und Institutionen ganz auf der Höhe der Systemtheorie. Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel bricht eine Lanze für den Föderalismus, die Autonomie der kleinen politischen Einheit. Und Wiedekings Einleitungstext kann sich stilistisch durchaus neben Enzensbergers „Dialog über den Luxus“ sehen lassen, den Markus Meyer und Veit Schubert bei der Präsentation zum szenischen Kabinettstück machen.

Das Autoren-Podium mit Henkel, dem Porsche-Pressechef und „Davidprinzip“-Herausgeber Anton Hunger, mit Gabriele Fischer, der Chefredakteurin des angesagten Wirtschaftsmagazins „brand eins“ und dem davidischen, großen Kleinverleger Klaus Wagenbach (wie immer mit roten Söckchen), schön schwäbisch gemächlich moderiert von „Tatort“-Autor Felix Huby, bestätigt die Möglichkeit, dass Geist und Geld sich bisweilen zusammentun, um Dauer zu erzeugen: Sei es in Form der Perfektion eines Porsche 911 oder in der literarischen Schönheit dieses so ganz anderen Manager-Buches.

Das Davidprinzip. Hg. von A. Hunger. Eichborn Verlag, Frankfurt a. M., 251 S.,19,90 €.

Marius Meller

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