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Kultur: Kleiner Parcours für den großen Dichter

Das bisher so verödete Grab von Heinrich von Kleist soll zum 200. Todestag neu gestaltet werden

Die Berliner Verlegerin und Mäzenatin Ruth Cornelsen hat die Hauptstadt und den Kulturstaat Deutschland soeben vor einer eklatanten Peinlichkeit bewahrt. Seit Jahren befindet sich die Stätte, an der am 21. November 1811 der Dichter Heinrich von Kleist sich zusammen mit seiner Seelenfreundin Henriette Vogel auf einer heute bewaldeten Uferanhöhe am Kleinen Wannsee erschoss, in einem beklagenswerten Zustand. Nun spendiert Ruth Cornelsen dem Land Berlin und dem örtlich zuständigen Bezirk Zehlendorf mit einer noblen Geste 500 000 Euro, um diesem Zustand in höchster Terminnot und angesichts einer drohenden Blamage abzuhelfen.

Denn es naht der 200. Todestag des größten Schriftstellers Preußens und Weltdramatikers; 2011 soll zum „Kleist- Jahr“ werden, nicht nur in Berlin und in der Geburtsstadt Frankfurt/Oder wird Kleist mit Ausstellungen und Symposien geehrt, unzählige Aufführungen sind geplant, das Maxim Gorki Theater möchte im Frühjahr ein Festival mit sämtlichen Kleist-Stücken veranstalten, und die Gruppe Rimini-Protokoll denkt an ein Kleist-Projekt. Für eine „Neugestaltung des Grabes“ aber hatte die Bundeskulturstiftung zusammen mit der Kleist-Gesellschaft einen internationalen Wettbewerb im Sinn – und eine Installation etwa nach dem Vorbild des spektakulären Denkmals, das der israelische Künstler Dani Karavan an der französisch-spanischen Grenze in Portbou für Walter Benjamin entworfen hat (vgl. Tsp vom 21. 11. 2009).

Aus solch höherfahrenden Träumen wird nun nichts. Stattdessen soll es eine, wie es heißt, „gartendenkmalpflegerisch-landschaftsplanerische“ Neugestaltung geben. Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz zeigte sich darüber bei der Präsentation der Pläne im Haus des Literarischen Colloquiums am Großen Wannsee allemal erleichtert und dankte der Spenderin für ihr „zivilgesellschaftliches Engagement“. Das ruft in Erinnerung, dass Berlin offenbar keine finanziellen Mittel bereitstellen konnte. Auch wird es zeitlich eng bis zum Jubiläum im November 2011, die Gartenbauer hoffen auf einen „milden Winter“.

Statt des bisherigen „dunklen, schäbigen Zugangs“ von einer Sackgasse am S-Bahndamm malte Landeskonservator Klaus-Henning von Krosigk einen neuen Weg zum Kleist-Grab aus. Direkt an der Kreuzung zwischen dem Kronprinzessinenweg (mit dem S-Bahnhof Wannsee) und der zwischen Kleinem und Großem Wannsee von Zehlendorf Richtung Potsdam verlaufenden Königstraße soll ein lichtes Entree für das baum- und buschbestandene Areal geschaffen werden: mit mehrsprachigen Informationstafeln und auf den etwa 100 Metern Weg zum Grab womöglich auch einigen Audio-Stationen, die von prominenten Schauspielern gelesene Kleist-Texte anbieten. Der neue Weg soll in einer Schleife den Grabhügel halb umrunden und sich dann hin zum See und zur Gedenkstätte teilen.

Der 1936 von den Nazis anstelle des Steins eines jüdischen Künstlers neu gesetzte Grabstein (der für sich genommen nicht anstößig ist) soll mindestens kommentiert, wenn nicht noch ausgewechselt werden. Auf diese Problematik wies der Kölner Literaturwissenschaftler und Präsident der Kleist-Gesellschaft Günter Blamberger hin. Allerdings komme der frühere Grabstein aus konservatorischen Gründen und wegen eines falschen Todesdatums im Original nicht mehr in Betracht.

Geplant sind auch ein neuer Informations- und Aussichtssteg unterhalb des Grabs, und viel wildes Gestrüpp, Unrat oder allzu friedhofstriste Büsche sollen entfernt werden, um Kleists „preußischem Arkadien“ mindestens im Ansatz näher zu kommen. Zunächst jedoch müssen die benachbarten Ruder- und Segelclubs für den neuen Parcours noch ein Wegerecht einräumen. Peter von Becker

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