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Kultur: Kleines Ensemble, große Sprünge

Mit der Berliner Opernstiftung steht auch die Zukunft des Berliner Balletts neu zur Debatte

Von Sandra Luzina

Von Franz Anton Cramer

und Sandra Luzina

für eine Fußnote taugt das Ballett, für mehr nicht: Als Anfang Juli bekannt wurde, dass Berlin dank des finanziellen Engagements des Bundes seine drei Opernhäuser behalten kann, war vom Ballett nur ganz am Rande die Rede. Die leidige Ballettfrage! Bei Kulturpolitikern in etwa so beliebt wie weiland die Frauenfrage.

So viel steht fest: In dem Modell einer Opernstiftung bildet das Ballett eine von fünf Säulen – als eigenständige GmbH unter dem Dach der Stiftung. Im Hause des Kultursenators erhofft man sich davon eine „organisatorische und künstlerische Profilierung und Eigenständigkeit des Balletts“. Damit steht es vor einem Wendepunkt; bloß scheint das noch keiner so richtig realisiert zu haben.

Erinnert sich noch jemand an die erbitterten Kampfe um die Eigenständigkeit des Tanzes in Berlin? Die administrative und künstlerische Autonomie des Balletts – sie war das Kernkonzept aller bislang gescheiterten Reformvorhaben. Dass Freudensprünge nun ausbleiben, wundert dennoch nicht. Denn bislang ist eine Zwergenlösung vorgesehen – nur noch 88 Tänzerpositionen soll es künftig in Berlin geben. Auch ist noch nicht erkennbar, wie die künftige Konstruktion aussehen und vor allem, wie sie vom Kopf auf die Füße gestellt werden soll.

Der Blick zum Saisonende der Ballettszene offenbart: Mehr noch als die Musiktheatersparte leidet sie unter erbitterten Grabenkämpfen. Die noch von Radunski angeschobene Stukturreform entpuppte sich als bloße Abwicklungsmaßnahme. Während immer neue Papiere vorgelegt wurden, beschleunigte sich der künstlerische Niedergang der Ensembles. Eine chronique scandaleuse: Mit Gerhard Brunner hat die Hauptstadt einen Ballettbeauftragten verschlissen, mehrere Choreografen warfen das Handtuch, Hoffnungsträger wurden schon bei den Verhandlungen vergrault. Brillante Solisten wanderten ab. Seit Mitte der neunziger Jahre wurden an der Deutschen Oper die Hälfte aller Stellen, an der Komischen Oper sogar noch mehr gestrichen. Und an der Deutschen Oper wird die Compagnie unter der Direktion von Sylvaine Bayard kaum noch ernst genommen.

An der Komischen Oper unternahm man einen letzten verzweifelten Versuch und engagierte die glamouröse spanische Choreographin Blanca Li. Man hoffte, mit ihr ein junges, trendiges Szenepublikum anzusprechen und die Hochkultur mit den Vergnügungen des Clublebens zu verknüpfen. Dieser Versuch scheiterte schon nach wenigen Monaten. Übrig blieb ein 20-köpfiges Ensemble ohne wirkliches technisches oder künstlerisches Profil. Direktorin Adolphe Binder sucht zwar den Anschluss an zeitgenössische Tanzästhetiken (für die kommende Spielzeit sind mehrere Uraufführungen geplant), doch die letzte Saison war enttäuschend. Die Truppe, so ist zu befürchten, steht nun vor der Abwicklung. Einzig das Ballett der Staatsoper kann wirkliche Erfolge vorweisen.

Dort hatte man sich den radikalen Kürzungsplänen hartnäckig widersetzt und verfügt noch über 64 Tänzerpositionen. Und trotz ihres nicht eben revolutionär anmutenden Repertoires ist die Truppe in nur einer Spielzeit unter der Führung des Startänzers Vladimir Malakhov auferstanden wie ein Phönix aus der Asche. Erniedrigte, Beleidigte und eine Prinzenrolle – das bietet das Hauptstadt-Ballett.

Die entscheidende Frage lautet aber nicht, ob man das Ballett überhaupt braucht: Keine Oper kann wirtschaftlich ohne Ballettspieltage bestehen. Das ist Konsens zwischen Senator Flierl und den Intendanten. Deren plötzliche Beweglichkeit dürfte denn auch weniger auf ästhetische Einsichten gründen, sondern eher mit dem immensen Spardruck zu tun haben

88 Tänzerpositionen für die Zukunft – das könnte auf eine kleine Lösung hinauslaufen: eine klassisch orientierte Compagnie unter der Führung von Malakhov, die die Staatsoper und die Deutsche Oper bespielt. Siegen also die konservativen Kräfte? Droht Berlin die „Schwanensee AG“? Immerhin sind sich die Tanzexperten einig, dass der zeitgenössische Tanz auch künftig eine Rolle wird spielen müssen.

Natürlich ist Berlin gut beraten, Malakhov als Spitzenkraft zu halten (man hört bereits von zahlreichen Abwerbe-Versuchen). Eine behutsame Öffnung des Spielplans ist mit ihm denkbar – ein avanciert zeitgenössischet Tanz allerdings nicht. Also keine Alleinherrschaft – die strebt Prinz Malakhov wohl auch gar nicht an. Vielleicht lässt sich ja eine kluge Allianz schmieden?

Doch ehe man Artenschutz für den zeitgenössischen Tanz fordert, muss man bedenken: Der erblüht nur bei entsprechenden Rahmenbedingungen – und ist im Opernhaus nicht immer gut aufgehoben. Eine offene Baustelle sei das Ballett, heißt es in der Kulturverwaltung. Mit 88 Stellen lassen sich keine großen Sprünge machen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass nach der Sommerpause Bewegung in die Debatte kommt.

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