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Kultur: Kleist-Preis, zerbrochen

Ein

von Marius Meller

Literaturpreise haben ebenso wie Könige zwei Körper: einen (literatur)politischen und einen natürlichen. Der politische Körper eines Literaturpreises gedeiht mit der Tradition der Preisträger. Bleiben sie im Gespräch, gehen sie gar ins kulturelle Gedächtnis ein, dann steigt allmählich das Renommee, und mit diesem wächst die öffentliche Ehre für die späteren Lorbeerträger. Aber der politische Körper kann vor Fitness noch so strotzen – wenn der natürliche Körper, die Finanzierung, schlappmacht, dann ist es mit dem Doppelwesen nicht mehr weit her.

Der Kleist-Preis, nach dem Büchner- Preis der wichtigste deutsche Literaturpreis, ist nun in dieser prekären Lage: Am Sonntag bei der Verleihung an Emine Özdamar, deutete der Präsident der Kleist-Gesellschaft an, dass sich 2005 mit dem Hauptsponsor, der Kulturstiftung der Deutschen Bank, auch die Behörde von Kulturstaatsministerin Christina Weiss von der Förderung der Nebenkosten zurückziehen wird. Möglicherweise steht der Kleist-Preis kurz vor dem Hungertod.

Noch in der späten Kaiserzeit und dann in der Weimarer Republik, als der Büchner-Preis noch eine Art hessische Volkskunsttrophäe war, entwickelte sich der Kleist-Preis zur wichtigsten literarischen Ehrung der Nation. Die Preisträger Oskar Loerke, Arnold Zweig, Bertolt Brecht, Hans Henny Jahnn und viele andere waren damals Avantgarde und sind heute Kanon. 1932 löste sich die Kleist-Stiftung auf – aus Angst vor einer feindlichen Übernahme durch die damals stark angebräunte Kleist-Gesellschaft. Erst seit 1985 wird der Kleist- Preis wieder vergeben. Und die Preisträger seitdem sind nicht minder illuster: Von Alexander Kluge, Thomas Brasch, Heiner Müller über Barbara Honigmann, Martin Mosebach bis Emine Özdamar reicht die Liste der Geehrten.

Dass die Deutsche Bank sich zurückzieht, ist nicht zu kritisieren: Sie hatte sich von vornherein auf löbliche fünf Jahre festgelegt. Die Förderungs-Stafette muss nun schleunigst weitergegeben werden. Dass der Bund, wenn sich kein privater Sponsor findet, hier möglicherweise die Chance verpasst, (neben dem Büchner-Preis) eine Art Literatur-Nationalpreis in der besten, auch Weimarer Tradition langfristig zu sichern – das wäre ein trauriges Beispiel einer verfehlten kulturellen Symbolpolitik (siehe Seite 24).

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