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Märchenprinz. Sabin Tambrea vom Berliner Ensemble als Titelheld im neuen „Ludwig II.“-Biopic.

© Daniel Mayer/Warner

König im Kino:: Heute ein Kini

Der Mythos lebt: In Bayern entsteht ein neuer „Ludwig II.“-Film. Mit einem Darsteller vom Berliner Ensemble als Hauptdarsteller.

So wie weiland der Heiland auferstanden ist, so wird auch er wiederkehren. Mit diesen Worten endet Hans-Jürgen Syberbergs Film „Requiem für einen jungfräulichen König“, der von Ludwig II. handelt. Dort wird der Monarch mittels einer Guillotine vom Leben zum Tod befördert, was historisch natürlich unhaltbar ist. Aber dass er immer wieder aufersteht, der Kini, das stimmt schon. Bald auch im Kino. In der letzten Woche haben am Starnberger See die Dreharbeiten für einen neuen Ludwig-Film begonnen.

Vor 125 Jahren, im Juni 1886, war der abgesetzte und entmündigte „Märchenkönig“ da unter bis heute nicht gänzlich geklärten Umständen ertrunken. Bis November soll in Bayern und Österreich an Originalschauplätzen wie den Schlössern von Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee gefilmt werden. Es produziert die Bavaria, die Warner Brothers wollen das Biopic im Dezember 2012 auf die Leinwand bringen. Für die Realpolitik war Ludwig, der sich im beginnenden Industriezeitalter mit seinen Architekturprojekten in mittelalterliche Kulissen zurückträumte, verloren. „Zu einer bestimmten Art von Kompromissen war er nicht fähig, deshalb ist er bis heute so faszinierend“, sagt Filmproduzent Ronald Mühlfellner. „Heute wäre so jemand wahrscheinlich Regisseur geworden und würde versuchen, seine ästhetischen Absolutheitsansprüche auf diese Weise zu verwirklichen.“

In der Rolle des Ludwig II . berühmt wurde auch O.W. Fischer (1954, mit Klaus Kinski).
In der Rolle des Ludwig II . berühmt wurde auch O.W. Fischer (1954, mit Klaus Kinski).

© picture alliance

Ludwig II. gehört zu den deutschen Mythen, sein glanzvoller Aufstieg und tragisches Ende wirken wie ein Märchen aus uralten Zeiten, das immer wieder neu erzählt werden muss. Über Helmut Käutners technicolorbunter Ludwig-Saga vom „Glanz und Elend eines Königs“ aus dem Jahr 1954 hing noch die existenzialistische Düsternis der Nachkriegszeit. Keiner kann seinem Schicksal entrinnen, nicht mal, wenn er eine Krone trägt. „Es muss doch möglich sein, ohne Falsch zu regieren, ohne Lügen und Verrat“, ruft O.W. Fischer als Titelheld anfangs voll Enthusiasmus. Doch als die Intrigen seiner Minister und Generäle seinen Idealismus stoppen, wählt er den Weg in die Einsamkeit.

Seinem wahnsinnig gewordenen Bruder Otto, gespielt von Klaus Kinski, fällt er weinend um den Hals, weil er in ihm die eigene Zukunft erkennt. Für O. W. Fischer wurde der König zur Rolle seines Lebens, die Identifikation war so groß, dass der immer sonderlichere Schauspieler sich zuletzt mit hochgezwirbeltem Ludwig-II.-Bart in ein schlossartiges Schweizer Refugium zurückziehen sollte.

Die Maßlosigkeit, die dem Bauherrn Ludwig vorgeworfen wurde, ist in Luchino Viscontis fast fünfstündigem Epos „Ludwig II.“ schon in der Opulenz von Dekor und Kostüm zu erkennen. Minutenlang folgt die Kamera dem Helden durch von Kerzen illuminierte Schlossfluchten, unterlegt mit der Musik von Ludwigs Lieblingskomponisten Richard Wagner. 1972 – im selben Jahr wie Syberbergs Ludwig-Dekonstruktion mit Harry Baer in der Titelrolle – kam nur eine verstümmelte Version des Films heraus, weil Visconti die Homosexualität des stets von jungen, engelhaft gelockten Lakaien umgebenen Herrschers nicht bloß andeutete.

Noch ein Kini: Helmut Berger (1972, mit Romy Schneider).
Noch ein Kini: Helmut Berger (1972, mit Romy Schneider).

© picture alliance

Helmut Berger, Viscontis Lebensgefährte, spielt den Ludwig mit zunehmend wächsernem Gesicht, am Ende, interniert im Schloss Berg, starrt er aus dem Fenster und seufzt: „Es regnet wieder, das wird nie aufhören.“ Romy Schneider ist noch einmal als Sisi zu sehen, Österreichs Kaiserin Elisabeth, Schwester von Ludwigs Verlobter Sophie. Viscontis Detailfetischismus ging so weit, dass ihre Lockenperücke tatsächlich bis zu den Waden reicht.

Mit den berühmten Vorläufern will sich der neue Ludwig-Film, der von Peter Sehr („Kaspar Hauser“) und Marie Noelle („Die Frau des Anarchisten“) nach ihrem eigenen Drehbuch inszeniert wird, nicht messen. „Wir wollen aus heutiger Sicht einen genauen und sehr intensiven Blick auf diese Figur ermöglichen“, sagt Bavaria-Produzent Mühlfellner. Das könnte durchaus die Rezeption verändern, denn der Wittelsbacher war bei aller Rückwärtsgewandtheit auch ein Modernist, der hydraulisch versenkbare Esstische ins Schloss Neuschwanstein einbauen und sich im Dampfboot über den Herrenchiemsee fahren ließ.

Weil der Film nicht länger als 130 Minuten werden soll, wird er sich auf wesentliche biografische Episoden konzentrieren müssen. Dazu gehört der vergebliche Widerstand des pazifistisch gesinnten Königs gegen den deutsch-französischen Krieg von 1870, ein Anlass zum Rückzug aus der Politik. Und die Schicksalsschwere? „Unsere größte Waffe gegen ein Versinken im Pathos ist“, so Mühlfellner, „dass wir einen jungen, charismatischen Darsteller haben, der die Energie des jungen Königs verkörpert“: Sabin Tambrea vom Berliner Ensemble. Ihm zur Seite stehen unter anderem Hannah Herzsprung als Sisi, Edgar Selge als Richard Wagner, Uwe Ochsenknecht als Prinz Luitpold und Axel Milberg als Max II. Auch ohne Viscontis Hyperrealismus: Auf einige prachtvolle Backenbärte darf man sich schon jetzt freuen.

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