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Kultur: Köstliche Kekse

Intelligent: die französische Kiffer-Komödie „Paulette“.

Rassistin? Na und ob! Doch auch mit ihren Freundinnen springt die alte Dame nicht gerade feinfühlig um. Paulette trägt ihr böses Herz auf der Zunge, eine misanthrope Giftschlange, die sogar den eigenen Enkel wegen seiner zu dunklen Hautfarbe ablehnt. Dabei arbeitet dessen Papa Osman vorbildlich integriert im Drogendezernat der Pariser Polizei. Doch Paulette hasst alles Fremde – wohl auch, weil ein chinesischer Gastronom die adrette Pariser Konditorei übernahm, die sie einst mit ihrem Mann betrieb, Nun ist der Gatte tot, Paulette lebt in einem heruntergekommen Hochhaus in der Banlieue, und nun soll die auch noch die Wohnung der 80-Jährigen zwangsgeräumt werden. Da fällt ihr eines Tages – oh Drehbuchgott! – bei einer Polizeiaktion in der Nachbarschaft ein Päckchen feinstes Marihuana fast in die Handtasche.

Nun, schon laut Brecht kommt das Fressen vor der Moral. Also engagiert sich Paulette bald in genau dem Geschäft, das die von ihr verachteten nordafrikanischen Nachbarjungs betreiben. Osmans Polizeikenntnisse kommen da ebenso gelegen wie – nach ersten Anpassungproblemen seitens der Kundschaft – die perfekte Tarnung mit karierter Einkaufstasche und geblümtem Kopftuch. Doch auch die Erfahrung als Konditorin zahlt sich aus. Denn Paulette brezelt das Geschäft durch unwiderstehliche Afghanen-Kekse und andere innovative Tartes und Patisseriewaren so gründlich auf, dass die Kunden bald im Treppenhaus Schlange stehen. Die Konkurrenz sieht das nicht gern. Außerdem hilfreich zu wissen: Auch hier hinter den Kleindealern im Kiez steckt irgendwo der Boss mit Playmates und Stretchlimousine.

Bernadette Lafont gibt ihre Paulette köstlich grantig, doch auch der Rest der Truppe, darunter Carmen Maura und Dominique Lavanant, glänzt unter der Regie von Jérôme Enrico („L’origine du monde“). Das in einem Schreib-Workshop der Pariser Filmhochschule ESEC entstandene Drehbuch verknüpft – mit geschliffenen Dialogen und viel Sprachwitz – die Destruktion sozialer Rollenklischees mit der ernsthaften Auseinandersetzung in Sachen Rassismus, Alter und Armut. Selbst die abgeschmackte moralische Wende von der mürrischen Rassistin zur Multikulti-Oma kann den bösen und anarchistischen Witz dieses Films nicht zerstören. Denn „Paulette“ ist auch ein Plädoyer für die Befreiung im selbstbestimmten Kollektiv. Das mag naiv und illusionär sein, ist aber trotzdem schön. Und es reicht aus, um den Film deutlich von thematisch verwandten Kifferkomödien wie „Lammbock“ oder „Grasgeflüster“ abzusetzen. Silvia Hallensleben

Adria, Cinemaxx, Cinestar Tegel,

International, Kulturbrauerei, Union und

Yorck; OmU im Cinema Paris, Central

und Moviemento

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