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Kultur: Komm schon, Opa

Verspielt: Dagur Káris „Dark Horse“

Ganz viel früher, so in den Siebzigerjahren, hätte man sie Hippies genannt. Der hübsche Daniel (Jakob Cedergren), die süße Franc (Tilly Scott Pedersen) und der dicke Opa (Nicolas Bro) sind Leute neben der Gesellschaft, materiell ziemlich bedürfnislos, dafür schon mal im Besitz eher kuschelweicher Drogen, meist ohne Arbeit, dafür mit Liebe, und Kinder sind überhaupt noch nicht dran – oder doch? Andererseits leben Daniel, Franc und Opa eindeutig in den Nullerjahren dieses Jahrhunderts, die allerdings hier meist wie die Sechzigerjahre des vergangenen aussehen, sehr schwarzweiß und mit so schrillen Op-Pop-Opa-Apo-ArtMustern auf Hemden, Höschen und Tapeten, dass man schon beim Draufgucken ziemlich außer Atem gerät.

Ganz schön kompliziert. Wenn es denn kompliziert wäre. Daniel zum Beispiel kommt mit Halbliter-Tankfüllungen für seinen Fiat 500 gut über die Runden, Franc erbt mal eben ihrer Oma ihr klein Häuschen, als ihr mit Daniel so etwas wie Wohnungsnot droht, und Opa, der Zweieinhalbzentner-Junge, ist mit dem einstweilen theoretischen Teil seiner Fußballschiedsrichterprüfung voll ausgelastet. Noch Fragen? Erstmal keine. Schließlich ist es allerliebst anzusehen, wie Daniel im Auftrag frischverliebter Jünglinge Mädchenvornamen an Hauswände sprayt. Oder wie Franc, das leicht verspulte Bäckerblumenmädchen von nebenan, mit nassem Haar und sehr liebeshungrig in der Mansarde steht. Oder wie Opa, wenn er nicht gerade schiedsrichterlich aktiv ist, norwegische Testpersonen einigermaßen phlegmatisch für ein polysomnografisches Schlafforschungsprojekt elektrodifiziert. Oder so.

Der Isländer Dagur Kári, der ein filmreisefreudiges Publikum mit seinem zärtlichen Eisland-Erstling „Nói Albinói“ bereits heftig beeindruckte, will mit „Dark Horse“ vollends ins Schwarze treffen. Nicht nur, dass er für sein neuestes Werk ins dänische Exil ging, wo der meist liebenswert skurrile Humor ähnliche Blüten treibt wie im heimischen Island; nein, für „Dark Horse“ sind ihm so auffallend viele ausgefallene Vor- und Zwischenfälle eingefallen, dass er da nichts, aber auch gar nichts zum Abfall tun wollte. Das strengt leider an. Und es hat offenbar auch Dagur Kári angestrengt. So sehr, dass er aus seinem putzig-charmant gemeinten, ziemlich überkandidelten und doch mitunter nervtötenden Kreativdelirium rauswollte in so etwas wie Sinn.

Schade eigentlich. Denn nun haben wir die Moral davon. Alles liebe Blödeln und manchmal blöde Liebeln hat, so lernen wir, vielleicht doch den Zweck, auch das untauglichste Junghippie-Pärchen einer gesellschaftlichen Bedeutungserlangung zuzuführen. Andererseits taucht arg spät mit Richter Jason (Morten Suurballe) ein Kontrastheld auf, der zwecks Behebung seiner beruflichen sowie familienväterlichen Entfremdung – ein Althippie der nächsten Zehnerjahre? – zum elegisch einsamen Aussteiger mutiert. Eine Familie wird gegründet, eine andere geht kaputt, so lautet das nicht eben originelle Fazit dieses originalitätssüchtigen Films. Hätten wir allerdings auch einfacher haben können.

FT Friedrichshain, Hackesche Höfe, Kant; OmU im fsk am Oranienplatz

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